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ZurückAm 23. März 2021 luden AK EUROPA, das ÖGB Europabüro und MEP Günther Sidl gemeinsam zu einem Webinar unter dem Titel „Wahlfreiheit für KonsumentInnen - auch bei neuen Gentechniken? Die Botschaft der DiskutantInnen war dabei klar: Aus Sicht der VerbraucherInnen gibt es keinen Grund, an den geltenden Bestimmungen für neue Gentechniken etwas zu ändern.
2018 stellte der EuGH fest, dass Produkte von neuen gentechnischen Verfahren (GVO) als gentechnisch veränderte Organismen zu bewerten sind und somit die bestehenden Regelungen der EU-Gesetzgebung zur Gentechnik zur Anwendung kommen. Seitdem drängt die Gentechnik-Industrie auf eine Änderung der EU-Gesetzgebung für diese neuen Verfahren (GVOs), und der Rat beauftrage im Vorjahr die Kommission, eine Untersuchung zu diesem Thema durchzuführen.
Im Gegensatz zur öffentlichen Debatte, in der vielfach die Vorzüge dieser neuen Techniken in den Vordergrund gerückt werden, setzt eine aktuelle AK-Studie die Sicht der KonsumentInnen in den Mittelpunkt. Studienautor Andreas Heissenberger (Umweltbundesamt) skizzierte zu Beginn des Webinars mögliche Szenarien der rechtlichen Regelung für Produkte, die mit Hilfe neuer gentechnischer Verfahren (GVO) hergestellt werden. Dabei stellte er klar, dass eine Deregulierung der bestehenden EU-Gentechnikgesetzgebung in Anbetracht der Risiken nicht gerechtfertigt wäre. Vielmehr brauche es eine ausreichende Kennzeichnung und das Recht auf Wahlfreiheit.
In der anschließenden Diskussion stellte Günther Sidl, Abgeordneter zum Europäischen Parlament und Gentechnik-Chefverhandler der S&D, klar, dass alle Formen von Gentechnik streng geprüft werden und sie für KonsumentInnen klar erkennbar bleiben müssen. Die Menschen erwarten sich von der EU zu Recht ein hohes Maß an Sicherheit bei Lebensmitteln und klare Kennzeichnungen, und das gilt auch für alle Formen der Gentechnik. Dementsprechend erteilt er einem Aufweichen der bestehenden Standards eine klare Absage.
Die Leiterin der Abteilung Biotechnologie der EU-Kommission, Irene Sacristan Sanchez, hielt die Bedenken und Erfordernisse aus KonsumentInnensicht zwar für nachvollziehbar, sah sich aber dennoch veranlasst, auch die positiven Effekte der neuen Gentechniken zu betonen, beispielsweise im Bereich der Pharmaindustrie. So stellte sie auch Änderungen der derzeit gültigen EU-Gentechnikgesetzgebung in den Raum.
Aus Sicht der Biolandwirtschaft, die in der Diskussion von Eric Gall (Ifoam Organics Europe) vertreten wurde, ist die gegenwärtige Gesetzgebung zur Gentechnik seit 20 Jahren etabliert und funktioniert tadellos. Dementsprechend sieht er keinen Grund, warum es für GVOs nun neue Regelungen brauchen solle. Es gebe auch keine Rechtfertigung, bei Regelungen für GVOs zwischen der Produktion von Lebensmitteln und Tierfutter zu unterscheiden. Bei Futtermitteln sind die GVOs schon sehr viel verbreiteter als bei Lebensmitteln.
Iris Strutzmann von der AK Wien hielt fest, dass die KonsumentInnen klare Informationen über die Produkte benötigen, die sie kaufen und die sie essen. In Österreich wünschen sich 86 % der BürgerInnen eine Kennzeichnung von Lebensmitteln, die mit Verfahren der neuen Gentechnik hergestellt wurden, und auch die Nachfrage nach biologischen Produkten und gentechnikfreien Produkten nimmt stetig zu. Das Recht auf Wahlfreiheit sowie die Sicherheit der Lebensmittel müssen deshalb an oberster Stelle stehen. Eine neue Gesetzgebung ist aus Sicht der KonsumentInnen jedenfalls nicht notwendig.
Die Untersuchung soll Ende April 2021 veröffentlicht werden. Die DiskutantInnen waren sich dabei einig, dass dies der Startschuss von intensiven weiteren Verhandlungen sein wird. Die Arbeiterkammer wird sich weiter aktiv einbringen, um die Interessen der KonsumentInnen in Europa zu wahren.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Policy Brief: Genome Editing – How to protect the interests of consumers (nur englisch)
Arbeiterkammer Wien: Neue Gentechnik – Grundlagen für die kommende politische Debatte
AK EUROPA Positionspapier: Vom Hof auf den Tisch