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ZurückAm 12. November 2020 präsentierten die Vizepräsidentin der Kommission, Věra Jourová, und die EU-Gleichstellungskommissarin Helena Dalli die erste EU-Strategie für Lesben, Schwule, Bi, Trans-, Inter-Personen und Queers (LGBTIQ). Angesichts des Rückschritts und steigenden Repressionen in mehreren Ländern ist sie notwendiger denn je.
Zunahme an Diskriminierungen
In den letzten sieben Jahren hat sich der Prozentsatz jener LGBTIQs, die sich in der EU diskriminiert fühlen, laut Eurobarometer von 37 % auf 45 % erhöht. 2019 gaben 58 % der Befragten an, Belästigungen erlebt zu haben. 2012 waren dies mit 45 % noch deutlich weniger. Während im EU-Durchschnitt der Anteil jener, die der Auffassung sind, dass LGBTIQs dieselben Rechte wie Heterosexuelle haben sollten, seit 2015 leicht auf 76 % angestiegen ist, ging die Akzeptanz in neun Mitgliedsstaaten zurück. Insbesondere Polen und Ungarn machen zudem mit ihrer LGBTIQ-feindlichen Politik Schlagzeilen.
Forderung nach finanziellen Konsequenzen
Für Mitgliedstaaten, die die Rechte von LGBTIQs nicht anerkennen, fordert die EU-Gleichstellungskommissarin Dalli finanzielle Strafzahlungen. Dalli betont: „Gleichheit ist ein europäischer Wert, wer gegen diesen Wert ist, sollte von der EU nicht finanziert werden“. Die Kommissarin spielt hierbei auf den Rechtsstaatlichkeitsmechanismus an. Dessen vorgeschlagene (verstärkte) Verknüpfung mit dem Mehrjährigen Finanzrahmen führte zur aktuellen Blockade des Budgetabschlusses durch Polen und Ungarn, die verhindern wollen, dass rechtsstaatliche Verstöße gegen die Grundwerte der EU einfacher zu Mittelkürzungen führen können. Bereits am Anfang des Jahres 2020 gewährte die EU keine Finanzhilfen an die von Polen als „LGBTIQ-freien Zonen“ erklärten Regionen. Ursula von der Leyen hatte bereits in ihrer Rede zur Lage der Union darauf verwiesen, dass es keine „LGBTIQ-freien Zonen“ gebe, sondern lediglich „Zonen ohne Menschlichkeit“.
Schwerpunkte der Strategie
Im Rahmen der Strategie sollen bereits bestehende Anti-Diskriminierungsgesetze auf EU-Ebene betrachtet und bestehende Lücken im Diskriminierungsschutz geschlossen werden. So soll etwa die Liste der Europäischen Verbrechen auf alle Hassverbrechen ausgeweitet werden und damit auch Hassverbrechen und -reden gegen LGBTIQs umfassen. Ein Austausch soll zwischen den Mitgliedstaaten u.a. in Bezug auf die Verbote von sogenannten „Konversionstherapien“, erzwungener Medikamentierung von Transpersonen und gegen intergeschlechtliche Genitalverstümmelung stattfinden. Es sollen darüber auch Bemühungen verstärkt werden, den Schutz von LGBTIQ-Geflüchteten zu erhöhen. Eine Revision der Leitlinien zur Bewegungsfreiheit soll zudem sicherstellen, dass diese auch für LGBTIQs gelten und die Anerkennung von Trans-, Inter- und nicht-binären Personen erhöht wird. Zudem ist ein Kommissionsvorschlag geplant, um die gegenseitige Unterstützung und Anerkennung von Regenbogenfamilien auch bei Grenzübertritten – etwa bei Umzügen – zwischen den Mitgliedsstaaten zu gewährleisten. Die Mitgliedstaaten sollen zudem eigene nationale Pläne entwickeln, wie sie gegen Diskriminierung vorgehen wollen.
Positive Resonanz
Die LGBTI Innerparlamentarische Gruppe des EP begrüßt die Strategie. Ihre Ko-Vorsitzende, MEP Terry Reintke (Grüne), betont die Wichtigkeit, dass finanzielle Sanktionen tatsächlich gegen jene Staaten erlassen werden, welche die Rechte von LGBTIQs nicht anerkennen. Die Organisation ILGA Europe, welche sich für die Rechte von LGBTIQ auf der Unionsebene einsetzt, sieht in der Strategie einen neuen Ansatz der Kommission in Bezug auf LGBTIQ-Rechte und betont, dass u.a. auch dem Zwang, sich als binär – daher entweder als Mann oder Frau – identifizieren zu müssen, entgegengewirkt werden muss. Auch wenn noch viel Handlungsbedarf besteht, kommt die Veröffentlichung der ersten Strategie zur LGBTIQ-Gleichstellung zur richtigen Zeit und kann als ein wichtiger Grundstein für weitere Maßnahmen gesehen werden.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Zukunft in Zeiten von Corona – Von der Leyens Rede zur Lage der Europäischen Union
AK EUROPA: Neue Gleichstellungsstrategie veröffentlicht
ILGA EUROPE: Die EU LGBTIQ Strategie auf einen Blick