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ZurückIm Februar 2022 hatte die EU-Kommission ihren Vorschlag für eine Richtlinie über unternehmerische Sorgfaltspflichten vorgelegt. Das neue EU-Gesetz soll Unternehmen zur Verantwortung im Hinblick auf die sozialen und ökologischen Auswirkungen in ihrer Lieferkette verpflichten. Der Rat der EU hat sich am 1. Dezember 2022 auf eine allgemeine Ausrichtung verständigt und Abstimmungen im EU-Parlament sollen noch vor der Sommerpause finalisiert werden. AK EUROPA hat zusammen mit den Europabüros von ÖGB und DGB diese entscheidende Phase der Verhandlungen zum Anlass genommen, im Rahmen einer Veranstaltung in Brüssel noch einmal auf notwendige Anforderungen für ein starkes EU-Lieferkettengesetz hinzuweisen.
Am Podium diskutierten Evelyn Regner, Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Isabelle Schömann, leitende Sekretärin im EGB, Paul de Clerck, Teamleiter bei Friends of the Earth Europe und Albert Kruft, Berater des Gesamtbetriebsrates von Solvay.
MEP Evelyn Regner betonte, dass das EU-Parlament im Sinne des Schutzes von Menschenrechten und der Umwelt mehr erreichen will, als im Kommissionsvorschlag vorgesehen ist. Vor allem gelte es den zu engen Anwendungsbereich zu erweitern. Hier ist es die Aufgabe des EU-Parlaments eine klare Regelung zu finden, sodass die Entscheidung nicht zur Kommission verlagert wird, die den Anwendungsbereich dann mit Hilfe delegierter Rechtsakte bestimmen würde. Im Beschäftigungsausschuss werde derzeit auch an einer guten Einbeziehung von Betriebsrät:innen und Gewerkschaften in das Gesetz gearbeitet. Insgesamt - so Regner - könne das EU- Lieferkettengesetz zu einem globalen Standard und Meilenstein werden.
Isabelle Schömann (EGB) sah im EU- Lieferkettengesetz eine große Chance, die es nicht zu verpassen gelte. Der Einbeziehung von Betriebsrät:innen und Gewerkschaften und die Verankerung ihrer Rolle im EU-Lieferkettengesetz komme eine wichtige Bedeutung zu. Um ein schlagkräftiges Gesetz zu erreichen, brauche es unbedingt eine Beweislastumkehr zugunsten der Opfer von Menschenrechtsverletzungen. Gesetzliche Pflichten müssten zudem von entsprechenden Kontrollen und Sanktionen begleitet werden. Im Sinne der laufenden NGO-Gewerkschaftskampagne „Justice is everybody’s business“ forderte Schömann, dass Wirtschaftstätigkeit nur unter Einhaltung der Menschenrechte erfolgen dürfe.
Paul de Clerck (FoEE) sah es als wichtigen Schritt an, dass nach vielen Jahren der Untätigkeit von der Kommission nun endlich ein Gesetzesvorschlag vorgelegt wurde, und die Debatte auf europäischer Ebene geführt wird. Auch er wies jedoch auf erhebliche Lücken des Gesetzesvorschlages hin und hoffte auf Nachschärfungen, insbesondere durch das EU- Parlament. De Clerck forderte auch, dass so viele Unternehmen wie möglich vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst werden. Dabei wäre es aber besser, ein schlagkräftiges Gesetz für etwas weniger Unternehmen zu erlassen und dann die Zahl der erfassten Unternehmen später zu erweitern, als das Gesetz insgesamt abzuschwächen. Für die Opfer müsse es unbedingt die Möglichkeit einer Rechtsdurchsetzung vor Gericht geben. Wie schwierig dies derzeit ist, zeigt etwa die Klage der Betroffenen aus dem Niger Delta gegen Shell, wo der Prozess 13 Jahre gedauert hat.
Albert Kruft, Betriebsräteberater bei Solvay, berichtete aus seiner langjährigen Erfahrung, Nachhaltigkeitsstandards und Menschenrechte in einem großen Chemiekonzern zu verankern. Solvay – so Kruft – hat als ersten Schritt im Jahr 2013 eine Rahmenvereinbarung eingeführt, welche Standards im Bereich Menschenrechte und Nachhaltigkeit festlegte und welche im gesamten Konzern gelte. Kruft erachtet Kontrollen und die Einbindung von Gewerkschaften als essenziell und forderte nach Verabschiedung des EU-Lieferkettengesetzes einen Leitfaden zur gesetzestreuen Umsetzung für Unternehmen zu erstellen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: EU-Lieferkettengesetz: Rat verständigt sich auf allgemeine Ausrichtung