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Wieder einmal gibt es aus Brüssel einiges aus dem Bereich Handelspolitik zu berichten. Die Zivilgesellschaft vernetzt sich auf unterschiedlichen Treffen, die Kommission lädt zum Dialog und auch das Parlament steht nicht still. Anlass dafür war neben den Verhandlungen mit Japan das von der Kommission angekündigte Papier über die Nachhaltigkeitskapitel (TSD), das die derzeitige und künftige Ausrichtung zur Diskussion stellen soll. Leider bleibt sie genau das immer noch schuldig.

 

Nachhaltigkeitskapitel bringen häufig wenig

Die sogenannten Nachhaltigkeitskapitel sind mittlerweile zu einem festen Bestandteil der EU-Freihandelsabkommen geworden. Sie definieren Mindeststandards, die in Bezug auf Umwelt und Arbeit von beiden Vertragsparteien eingehalten werden sollen. Kritisiert wird von Gewerkschaften, der Arbeiterkammer sowie von zivilgesellschaftlicher Seite, dass diese Standards nur schwer durchsetzbar sind, da sie nicht mit Sanktionen belegt sind und die vorgesehenen Streitbeilegungsmechanismen bisher nur von einer der Vertragsparteien ausgelöst werden können. Die Sozialpartner und die Zivilgesellschaft nehmen hier lediglich eine Überwachungs- und Beratungsfunktion wahr.

 

Während des zivilgesellschaftlichen Dialogs, der eigentlich zur Vorstellung des Diskussionspapiers über die derzeitigen EU-Nachhaltigkeitskapitel anberaumt war, betonte die Kommission, dass die Kapitel zu Arbeits- und Umweltstandards sehr wohl bindend seien. Sie erkannte jedoch auch an, dass in der Realität die institutionellen Strukturen für solche Verfahren bzw. die sogenannten Domestic Advisory Groups häufig schwer zu etablieren seien, da die anderen Vertragsparteien oft zu wenig mit institutionalisierten Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft vertraut seien.

 

Über die ILO-Kernkonventionen hinausgehen

Ebenfalls kritikwürdig ist, dass die verankerten Arbeitsstandards nicht weit genug gehen. Eine Ratifizierung der ILO-Kernkonventionen stellt lediglich das Mindestmaß der einzufordernden Regelungen dar. Neben Sicherstellung der Umsetzung und Einhaltung der Kernkonventionen, was bei weitem immer noch nicht alle Vertragspartner der EU tun, sollten zudem umfassendere Standards verankert werden. Die AK fordert hier neben den Kernarbeitsnormen auch die Decent Work Agenda der ILO aufzunehmen. Ein weitere Vorstoß in diese Richtung stellt das von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Zusammenarbeit mit Europaparlamentsabgeordneten und Vorsitzenden des Handelsausschusses Bernd Lange erarbeitetes Modellkapitel für ArbeitnehmerInnenrechte in Handelsabkommen dar, das am 28. Juni im Europaparlament vorgestellt wurde. Es handelt sich dabei um einen juristischen Textentwurf, der als Blaupause für die Implementierung von Arbeitsstandards in Handelsabkommen verwenden werden könnte.

 

Neben den ILO-Kernkonventionen umfassen die CLS+ („Core Labour Standards Plus“) zusätzlich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, existenzsichernde Löhne und menschenwürdigen Arbeitszeiten. Außerdem sieht das Modellkapitel eine Einbindung der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft durch effektivere und reformierte Domestic Advisory Groups und das Civil Society Forum vor und ermöglicht neben Kollektivbeschwerdeverfahren, die derzeit nicht möglich sind, die finanzielle Sanktionierung der Nichteinhaltung von Umwelt- und Arbeitsstandards.

 

Sanktionieren oder fördern?

Auch letztere sind so im EU-Ansatz zu Nachhaltigkeitskapiteln nicht vorgesehen, der meist als „promotional“ bzw. fördernd bezeichnet wird. Im Vergleich zu diesem europäischen, auf Kooperation und Förderung ausgerichteten Ansatz, wird häufig der US-Ansatz als „conditional“ bzw. an Sanktionen geknüpft, diskutiert. Durch die Möglichkeit finanzieller Sanktionierung, wie sie das Modellkapitel vorsieht, öffnet sich somit der EU-Ansatz in Richtung des US-Ansatzes.

 

Bei Vorstellung des Kapitels im Rahmen einer Enquete im Europaparlament, an der auch Handelskommissarin Cecilia Malmström teilnahm, wurde deutlich, dass von Seiten der Kommission hier wenig Eigeninitiative zu erwarten ist. Im Gegenteil: Malmström betonte einmal mehr, dass ihrer Ansicht nach schon jetzt die Grenzen dessen erreicht wären, was in Handelsabkommen (mit)verhandelt werden könne. Eine FES-Studie zeigt jedoch im Fall von Vietnam eindrücklich, dass umfassende und sanktionsfähige Arbeitsstandards in Handelsabkommen notwendig wären, gerade da Handel zunehmend entlang der Wertschöpfungskette stattfindet. Die Untersuchungen zu Vietnam machen deutlich, dass multinationale Unternehmen, besonders im Vergleich zu ehemals staatseigene Zulieferern und Unternehmen, ihre Marktmacht ausnutzen, um niedrigere Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen bei ihren Zulieferern durchzusetzen.

 

Weiterführende Informationen:

Modellkapitel für ArbeitnehmerInnenrechte in Handelsabkommen

Studie: Conditional or Promotional Trade Agreements - Is Enforcement Possible?

Studie: Who benefits from trade?

Presseaussendung AK: zu JEFTA-Verhandlungen: „Aus TTIP und CETA lernen!“

Presseaussendung Graswander-Hainz Freihandelsabkommen Japan

Video: Core Labour Standards Plus

AK EUROPA: Zivilgesellschaftliche Einbindung in die EU-Handelspolitik

AK EUROPA: Internationale Handelsabkommen – Keine Verschnaufpause in Sicht

AK EUROPA: Warum Handelsabkommen zukünftig die Geschlechterdimension mitberücksichtigen sollen