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ZurückSeit Jahrzehnten nutzen Unternehmen den Energiecharta-Vertrag (ECT) um die 55 Mitgliedsstaaten in InvestorInnen-Staat-Streitbeilegungsverfahren auf Beträge bis in Milliardenhöhen zu verklagen, wenn diese durch (ökologische) Gesetze ihre Gewinnchancen schmälern. Insbesondere dem Kampf gegen die Klimakrise und der damit einhergehenden notwendigen Umstellung auf eine CO2 neutrale Energiegewinnung, also dem Ausstieg aus Öl und Kohle, steht der Energiecharta-Vertrag damit entgegen.
Die erste Klage des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall gegen Deutschland 2006 zeigte bereits auf, dass ein Ausstieg aus fossilen Brennstoffen durch den ECT deutlich erschwert wird und sogar verhindert werden kann. Damals hatte die Umweltbehörde dem Unternehmen Vattenfall für den Bau eines neuen Kohlekraftwerkes Auflagen für den Umweltschutz vorgeschrieben. Vattenfall leitete daraufhin ein Investitionsschiedsverfahren mit einem Streitwert von 1,4 Millarden Euro ein und erreichte, dass diese Auflagen deutlich abgeschwächt und geplante Gesetze im Energiebereich fallen gelassen wurden. Dies ist nur einer von hunderten Fällen, der deutlich macht wie problematisch der Energiecharta-Vertrag ist. Daher haben Organisationen der Zivilgesellschaft wie Attac und Greenpeace, sowie ArbeitnehmerInnenvertretungen, unter anderem AK EUROPA, der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB), auf Initiative von Corporate Europe Observatory, einen Brief an die europäischen EntscheidungsträgerInnen formuliert.
Die Kernprobleme des Energiecharta-Vertrages
Der Fall Vattenfall verdeutlicht das erste Problem des ECT: durch den ECT werden Investitionen und Infrastruktur der fossilen Brennstoffe geschützt und der Streitbeilegungsmechanismus aktiv genutzt, um notwendige Klimaschutzmaßnahmen zu verhindern. Die notwendigen Gesetzesänderungen werden auf Grund der realen Gefahr von kostspieligen Schadenersatzklagen erst gar nicht angegangen (sogenannter „regulatory chill“) und somit die CO2 Neutralität nicht erreicht. Denn Staaten wollen sich nicht der Gefahr aussetzen, dass Steuergeld für diese Verfahren ausgegeben werden muss und so die öffentlichen Haushalte enorm belastet werden. Damit wird nicht nur der jegliche Form von Klimapolitik erschwert bzw faktisch unmöglich gemacht, sondern auch viele andere Investition des Staates in öffentliche Infrastruktur verhindert. Eine weitere Gefahr ergibt sich aus der voranschreitenden Privatisierung im Energiesektor: Maßnahmen von Staaten, die darauf abzielen enorm hohe Profitmargen von privaten EnergieproduzentInnen und -versorgerInnen in Kostensenkungen für die KonsumentInnen umzuwandeln, werden mit Klagen im Rahmen des ECT bedroht.
Der behauptete Nutzen für InvestorInnen, nämlich sie in Investitionen zur Verringerung der Energiearmut und bei Investitionen in erneuerbare Energien zu unterstützen, hat sich bisher als Ablenkungsmanöver herausgestellt. Ganz grundsätzlich stehen die Systeme der InvestorInnen-Staat-Streitbeilegungsverfahren des ECT oder jene von internationalen Handelsverträgen im Widerspruch zur Rechtsstaatlichkeit und untergraben die nationalen Rechtssysteme. Es entsteht ein paralleles Rechtssystem, das höchst intransparent, teuer und gefüllt mit Interessenskonflikten ist.
Die Forderungen von Zivilgesellschaft und Gewerkschaften
Einige Vertragsparteien des ECT streben aktuell einen Modernisierungsprozess an. Doch das Verhandlungsmandat der EU dazu sieht weder ein Ende des Investitionsschutzes für fossile Brennstoffe, noch eine Beendigung von Investitionsschiedsverfahren oder ähnlicher Arten der Streitbeilegung zwischen InvestorInnen und Staaten im Rahmen des ECT vor. Daher fordert AK EUROPA gemeinsam mit 278 anderen Organisationen als Bedingung für die Aufnahme von Verhandlungen zur Modernisierung des ECT, dass die Bestimmungen zum Schutz fossiler Brennstoffe aufgehoben werden. Das InvestorInnen-Staat-Streitbeilegungssystem muss zudem zur Gänze gestrichen werden.
Sofern der Modernisierungsprozess scheitert, so ArbeitnehmerInnenvertretungen und Zivilgesellschaft, der Rückzug oder gar die gemeinsame Kündigung des ECT erfolgen. Gleichzeitig muss dafür gesorgt werden, dass der Prozess der geografischen Ausdehnung des ECT auf immer neue Staaten gestoppt wird. Somit keine Vertragsbeitritte zugelassen werden dürfen, solange der ECT in seiner jetzigen Form bestehen bleibt. Es wird sich zeigen, ob die Mitgliedsstaaten und die Europäischen Institutionen die Gefahren nun endlich erkennen und diese wichtigen Forderungen umsetzen.
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