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ZurückDas EU-Lieferkettengesetz soll Unternehmen in die Pflicht nehmen, Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette zu übernehmen. Mit der Abstimmung im Rechtsausschuss des EU-Parlaments am 25. April 2023, in welcher der Bericht von EP-Berichterstatterin Lara Wolters (S&D) angenommen wurde, hat der Rechtsakt eine wichtige Hürde genommen. Am 1. Juni 2023 folgt nun die Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments.
Im Februar 2022 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über Sorgfaltspflichten von Unternehmen präsentiert. Die Richtlinie hat zum Ziel, negative Auswirkungen von Unternehmensaktivitäten zu ermitteln und gegebenenfalls zu beenden, zu verhindern oder abzumildern. Zu solchen Aktivitäten sind unter anderem Kinderarbeit, Verletzung von Gewerkschaftsrechten, Ausbeutung und Umweltzerstörung zu zählen. Nachdem die Mitgliedstaaten im Rat bereits im Dezember 2022 ihre Position festgelegt haben, gelang nun mit deutlicher Mehrheit (19 Dafür, 3 Dagegen, 3 Enthaltungen) eine Positionierung im federführenden Ausschuss des EU-Parlaments, welche klare Verbesserungen gegenüber dem Kommissionsvorschlag umfasst.
Die AK setzt sich seit Jahren für eine schlagkräftiges EU-Lieferkettengesetz ein und ist Teil der europaweiten NGO-Gewerkschaftskampagne „Justice is Everybody’s Business“. Um auf notwendige Nachschärfungen beim Lieferkettengesetz aufmerksam zu machen, fand am Vortag der Abstimmung eine Aktion vor dem EU-Parlament in Brüssel statt, welche auch von AK EUROPA unterstützt wurde.
Rechtsausschuss: Klare Verbesserungen bei der Reichweite des Lieferkettengesetzes und der Einbeziehung von Gewerkschaften
Der Rechtsausschuss umfasst – im Vergleich zum Kommissionsvorschlag und zur Ratsposition – eine größere Zahl von Unternehmen, da diese bereits ab 250 Mitarbeiter:innen und 40 Millionen Jahresnettoumsatz in den Anwendungsbereich fallen. Positiv ist aus Sicht der AK insbesondere, dass die gesamten Wertschöpfungskette umfasst ist und ein risikobasierter Ansatz verankert werden soll. Auch der problematische Ansatz des Kommissionsvorschlages nur auf „etablierte Geschäftsbeziehungen“ abzustellen, wurde gestrichen. Bedauerlicherweise umfasst der Vorschlag keine automatische Haftung von Mutter- für ihre Tochtergesellschaften.
Erfreulich ist, dass der Rechtsausschuss eine stärkere Einbeziehung von Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter:innen vorsieht. Nach langwierigen Verhandlungen ist es den Parlamentarier:innen zudem gelungen, den Finanzsektor im Anwendungsbereich zu belassen, dessen vom Rat gewollte generelle Ausnahme wurde vom EU-Parlament somit nicht übernommen. Es ist jedoch für viele nicht sachlich zu rechtfertigen, dass für den Finanzsektor nach wie vor Erleichterungen vorgesehen sind. Auch die Bekämpfung des Klimawandels ist nach den Änderungen des EU-Parlaments nun Gegenstand der Sorgfaltspflicht, so müssen Unternehmen unter anderem verpflichtend ambitionierte Klimapläne vorlegen, jedoch bleibt der Rechtsausschuss beim Klimaschutz hinter der Position des EP-Umweltausschusses zurück. Der Rechtsausschuss schärft außerdem bei den Sanktionen nach, die vom Rat und der Kommission vage formuliert sind: Die Höchststrafen sollen mindestens 5 % des weltweiten Unternehmensumsatzes betragen. Schwarze Schafe unter den Unternehmen sollen veröffentlicht werden. Unternehmen sollen Produkte vom Markt nehmen müssen und in bestimmten Fällen bei öffentlichen Ausschreibungen nicht zum Zug kommen.
Rechtausschuss: Zugang zum Rechtsweg für Betroffene nach wie vor nicht sichergestellt
Berichterstatterin Lara Wolters (S&D) wies darauf hin: „Wenn Unternehmen sich nicht daran halten, sollten sie mit Sanktionen rechnen müssen. Und wenn ein Schaden eintritt, den sie hätten vermeiden sollen, sollten die Opfer die Möglichkeit haben, vor Gericht Recht zu bekommen." Auch aus Sicht der AK sind die großen Hürden bei Gerichtsverfahren, welchen die Opfer gegenüber stehen, ein immenses Hindernis bei der Durchsetzung des EU-Lieferkettengesetzes. Positiv ist, dass der Rechtsausschuss die Rechte der Betroffenen nun teilweise regelt, etwa bei Verjährung, Verfahrenskosten und Vertretungsklagen. Ein großes Manko ist hier, dass eine Beweislastumkehr fehlt. Auch Christopher Patz von der European Coalition for Corporate Justice (ECCJ) kritisiert: „Opfer tragen weiterhin die Beweislast für das Versagen der unternehmerischen Sorgfaltspflicht, obwohl es den Unternehmen obliegen sollte, zu beweisen, dass sie sich an die Regeln gehalten haben.“
Die Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments ist für den 1. Juni 2023 angesetzt, danach können die Trilog-Verhandlungen zwischen Rat, Parlament und Kommission über den endgültigen Wortlaut der Rechtsvorschriften beginnen.
Weiterführende Informationen:
EU-Parlament: Presseaussendung “Corporate sustainability: firms to tackle impact on human rights and environment” (Nur Englisch)
AK EUROPA: Verantwortung für Unternehmen bei Verletzungen gegen Menschen- und Arbeitsrechte entlang der Lieferketten
AK EUROPA: EU-Lieferkettengesetz: Rat verständigt sich auf allgemeine Ausrichtung
AK Auf einen Blick: Infoblatt zum EU-Lieferkettengesetz
Kampagne „Justice is Everybody’s Business“