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Valtentinstag oder doch eher politischer Aschermittwoch? Am 14. Februar 2018 hat der für Haushalt und Personal zuständige EU Kommissar Günter Oettinger die Prioritäten der Kommission für den Mehrjährigen Finanzrahmen MFR in Brüssel vorgestellt. All dies soll dem informellen Rat der Staats- und Regierungschefs am 23.02. dazu dienen, sich über die Zukunft der EU und ihrer Finanzen zu verständigen.

 

Die Mitteilung trägt den vielversprechenden Titel „Ein neuer, moderner mehrjähriger Finanzrahmen für eine Europäische Union, die ihre Prioritäten nach 2020 effizient erfüllt“. Ziel der Kommunikation ist es, eine, wie es heißt, „positive Agenda für das Europa der 27“ und deren Finanzierung für die nächsten 7 Jahre ab 2021 zu skizzieren. Worauf hat Kommissar Oettinger in seiner Rede im Speziellen Bezug genommen?

 

Warum jetzt?

Allen voran steht das explizite Ziel, dass - im Gegensatz zum letzten Mal - der Prozess möglichst früh begonnen wird, um rechtzeitig fertig zu werden. Beim letzten MRF war nicht mehr sehr viel Zeit, um aus dem Rahmen konkrete Programme abzuleiten; Oettinger sprach in diesem Zusammenhang von einem „verlorenen Programmjahr 2014“. Diesmal soll also alles anders werden: Dies würde für Klarheit und Sicherheit sorgen, bei ForscherInnen, Schlagwort „Europäischer Supercomputer“, bei Studierenden, Erasmus++, aber auch bei den BürgerInnen, wenn es beispielsweise um die gemeinsame europäische Verteidigungspolitik geht.

 

Mehrwert Europa vs sinnentleerte Neiddebatten

Anders als bei den nationalen Haushalte steht dabei die Durchführung von Programmen im Zug der Verfolgung von EU-Politikfeldern im Zentrum. Die meisten Mittel werden dabei für EU-Agrarsubventionen, gefolgt von Projekten aus dem Bereich der Struktur- und Kohäsionspoltik und für die Forschung aufgewendet. Der EU Haushalt muss immer ausgeglichen sein, darf also keine Schulden machen und ist in erster Linie ein Investitionsbudget. Der für sieben Jahre geltende MRF bietet somit einen längerfristigen Planungshorizont. Finanziert werden soll nur dort, wo die supranationale Ebene für einen Mehrwert sorgt, wo also die europäische Ebene effizienter und kostengünstiger investiert als die Mitgliedsstaaten. Als beliebte Beispiele dafür dienen grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte, wie „Connecting Europe Facility“, aber auch große Forschungsprogramme wie „Galileo“. Diesen europäischen Mehrwert könnte man als eine Art „Speisekarte“ lesen, so Oettinger, wie einen Katalog an möglichen Leistungen. Die Staats- und Regierungschefs müssten nun entscheiden, ob sie diesen Mehrwert abrufen wollen, dann muss er aber von den Mitgliedsstaaten auch finanziert werden.

 

Der Haushaltsrahmen soll demzufolge grundlegend modernisiert werden. Eine NettozahlerInnendebatte wirke in diesem neuen Umfeld völlig „sinnentleert“, meint der Kommissar. Bei der Kohäsion und der Landwirtschaft wäre dies noch irgendwie nachvollziehbar gewesen, bei Forschung, Grenzschutz oder bspw der Entwicklungshilfe jedoch nicht. Viele Programme würden sich im nächsten MRF nicht mehr wiederfinden, welche obliegt zwar nicht allein der Europäischen Kommission, diese würde aber einen Vorschlag machen.

 

Post Brexit Budget

Denn nicht zu leugnen sei die Tatsache, dass durch den BREXIT eine deutliche Lücke auf der Einnahmenseite entstehen werde, die mit 12- 14 Milliarden Euro beziffert wird und dass durch neue, erweiterte Aufgaben, namentlich dem Grenzschutz und der so gennannten „Entwicklungshilfe“ in der Türkei deutlich höhere Ausgaben anfallen. Diese Lücken müssen gefüllt werden, bloß wie? Klar ist: 1% des Bruttonationaleinkommens (BNE) an Eigenmitteln wird nicht reichen, benötigt würde laut Oettinger eine maßvolle Erhöhung in Richtung 1,1x%.

 

In der Kohäsions- und Strukturpolitik scheinen Kürzungen unausweichlich. Aber auch die altbekannten Probleme sind anzugehen: lange und schwerfällige Verfahren für Programme wie Projekte, unterschiedliche Regeln und mangelnde Effizienz. Es wäre ein Armutszeugnis für die EU, wenn Mitgliedsländer allein aus Frust über die „überbordende Bürokratie“ EU-Gelder nicht mehr einsetzen wollen.

 

Erschwerend kommt hinzu, dass der MRF Einstimmigkeit benötigt. Ob diese bei der heiklen Frage nach höheren Beiträgen bzw mehr Eigenmitteln so einfach zu erreichen ist, bleibt fraglich.

 

Weniger Geld für vertragsbrüchige Mitgliedsstaaten?

In der Mitteilung wird auch kurz auf das so genannte “Prinzip der Rechtsstaatlichkeit“ eingegangen. Darunter wird die Möglichkeit gefasst, als Bedingung für Geldflüsse an Mitgliedsstaaten die Einhaltung der europäischen Grundwerte zu knüpfen. Ein solcher Mechanismus müsste jedenfalls transparent und verhältnismäßig sein und dürfte keine Einzelpersonen treffen, wie beispielsweise Erasmusstudierende oder Organisationen der Zivilgesellschaft. Oettinger meinte, es handle sich um ein „ergebnisoffenes Vorgehen“; ein polnischer Pressevertreter betonte jedoch sofort die absolute Opposition der osteuropäischen Mitgliedsstaaten für diesen Vorschlag. Grundsätzlich sind derartige Maßnahmen zu begrüßen, wenn es um die Einhaltung der EU-Grundwerte geht. Anders sieht es jedoch aus, wenn damit die Erzwingung von länderspezifischen Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters durchgesetzt werden soll. Derartige Pläne wären klar abzulehnen.

 

AK: Vorrang für soziale Investitionen

Eine solidarische Gesellschaft sowie territorialer Zusammenhalt sind Eckpfeiler der europäischen Idee. Deren Basis ist der europäische Wohlfahrtsstaat, der für eine existenzsichernde und nachhaltige Beschäftigung aller ArbeitnehmerInnen in Europa steht, sowie für deren soziale Absicherung und die Bekämpfung von Armut. Daher sollten die der EU zur Verfügung stehenden Mittel, insbesondere jene der gesamten Kohäsionspolitik konzentriert für jene Politikbereiche eingesetzt werden, die das Ziel verfolgen, die sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede abzubauen. Stattdessen wirft die Kommission die Frage auf, ob stärker entwickelte Länder und Regionen überhaupt noch Strukturfondsgelder bekommen sollen. Neue Herausforderungen, insbesondere die Integration von Flüchtlingen oder die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, betreffen jedoch auch gut entwickelte Mitgliedstaaten. Daher sollten diese Mittel auch allen Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen

 

Der konkrete Vorschlag der Ausgestaltung des MRF soll am 02.05. folgen. Dem ist eine Reihe öffentlicher Konsultationen vorausgegangen. Politisch wünschenswert, aber auch ein “praktischer Imperativ” sei eine Annahme des Haushalts bis Mai 2019, heißt es in der Mitteilung der Kommission.

 

Weiterführende Informationen:

https://www.awblog.at/eu-budget-nach-2020-erste-pfloecke-zur-europaeischen-kohaesions-und-strukturpolitik-werden-eingeschlagen/?highlight=beer

https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/why-do-delays-matter_de.pdf

https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/what-kind-of-europe-for-our-future_de.pdf

https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/modernising-revenue-sources-eu-budget_de.pdf

https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/where-does-the-money-go_de.pdf