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Die zukünftigen Regelungen über die Lebensmittelkennzeichnung werden derzeit heftig im Europäischen Parlament lobbyiert und debattiert. Welche Angaben sollen auf Lebensmittelpackungen gemacht werden, wie groß soll dargestellt werden, wie viel Zucker, Fett, Salz, etc. sich im Produkt befindet und wie viel Kalorien man damit aufnimmt? Diese Fragen versuchen die EU-Abgeordneten derzeit zu beantworten und wollen dazu neue Regelungen fixieren. Bei der Lebensmittelindustrie dürften die Alarmglocken läuten: Abgeordnete berichten von Heerscharen von Nahrungsmittelerzeugern, die für ihre Interessen lobbyieren.
Das intensive Lobbying dürfte auch mitverantwortlich dafür sein, dass der Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission über die „Information der Verbraucher über Lebensmittel“ auch fast zwei Jahre nach der Veröffentlichung noch immer nicht die erste Lesung im Europäischen Parlament passiert hat. Zwar gab es im zuständigen Umweltausschuss bereits einen Anlauf im Frühjahr. Nachdem zum ersten Berichtsentwurf aber 1.132 Änderungsvorschläge von den EU-Abgeordneten eingegangen waren, entschloss sich das Europäische Parlament die Verhandlungen nach den EU-Wahlen neu aufzunehmen.

Der nun von der zuständigen EU-Abgeordneten Renate Sommer (Europäische Volkspartei) präsentierte Berichtsentwurf sieht folgende Eckpunkte vor:
•Es soll eine verpflichtende Basiskennzeichnung geben, die verständlich und lesbar ist.
•Die Packungen sollen nicht mit Informationen überladen werden: Sommer schlägt auf der Vorderseite rechts unten ein Informationskästchen vor, welches unter anderem Angaben wie den Energiewert (in Kilokalorien), den Eiweiß-, Fett- (gesättigte Fettsäuren sollen eigens genannt werden), Zucker- und Salzgehalt enthalten soll.
•Sommer spricht sich gegen die sogenannte Ampelkennzeichnung (grün für einen geringen Anteil eines Nährwerts wie Zucker, Fett oder Salz; gelb für einen mittleren Anteil und rot für einen überproportional hohen Anteil) aus. Das wäre für sie irreführend, zum Beispiel hätte Milch einen roten Punkt aufgrund des ihrer Meinung nach hohen Fettanteils.
•Ausnehmen von der Kennzeichnungspflicht will die Berichterstatterin offene Waren. Während die Darstellung der Nährwerte auf einem eigenen Schild (welches beim Regal angebracht sein könnte) für Renate Sommer nicht möglich erscheint, ist ein Allergenhinweis auf einem eigenen Schild für sie aber schon machbar.
•Alkoholische Getränke sollen laut der Berichterstatterin vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen werden.
•Eine Schriftgröße von 3 Millimeter ist für Sommer bei den vielen Angaben auch zu viel – da müsste man teilweise Packungen vergrößern. Dass bei vielen Packungen die Werbetexte teilweise mehrere Zentimeter groß sind, blieb an dieser Stelle unerwähnt.
•Lebensmittelimitate (zum Beispiel Analogkäse) sollen laut der Berichterstatterin eigens gekennzeichnet werden müssen.
Kritisch äußerten sich die Sozialdemokraten: Die EU-Abgeordnete Willmott verlangt, dass auch die Verwendung von Nanopartikeln verpflichtend angegeben werden soll. Außerdem wollten drei Viertel der VerbraucherInnen wissen, woher das Produkt käme. Die Lebensmittelinformationen müssen auch lesbar sein, es gehe hier um die verwendete Schrift, die Schriftgröße und um den Hintergrund. Auch bezüglich einer Farbenangabe (Ampel) äußerte sich die Abgeordnete eindeutig positiv. Die Abgeordnete Roth-Behrendt kann nicht nachvollziehen, dass ein offener gemischter Salat an der Theke nicht gekennzeichnet sein soll, während fünf Meter weiter dasselbe Produkt in der Verpackung schon gekennzeichnet ist.

Unterschiedliche Positionen bezüglich der „Ampel“ gibt es bei den Europäischen Liberalen. Einige sprechen sich dafür aus, andere lehnen sie ab. Die Grünen sprechen sich eindeutig für die Farbkennzeichnung aus, da man auf einem Blick sehen könne, wie hoch die Nährwertanteile in einem Produkt seien. Alkohol aus der Verordnung auszunehmen sei nicht einzusehen, hätte er doch unter anderem viele Kalorien. Nanopartikel sollen in die Verordnung ebenfalls aufgenommen werden.

Gleich zu Beginn ihrer Wortmeldung merkte die Abgeordnete. Liotard von den Vereinigten Europäischen Linken an, dass der Verordnungsvorschlag für KonsumentInnen gedacht sei, aber dass er trotzdem intensiv von Unternehmen lobbyiert werde. Sie schätzt, dass auf 80 Unternehmerlobbyisten nur 5 Interessenvertreter der KonsumenInnen kommen. Sie berichtet davon, dass VerbraucherInnen positiv auf eine Ampelkennzeichnung reagieren.

Deutlich zu merken war die Konzentration der EU-Abgeordneten der Europäischen Volkspartei auf die Ablehnung der Ampelkennzeichnung. Teilweise mit obskuren Argumenten: So meinte ein Abgeordneter, dass Muttermilch aufgrund des hohen Fettgehalts auch einen roten Punkt bekommen müsste. Angesichts dieser (zudem auch noch falschen) Aussage bleibt zu hoffen, dass sich Muttermilch nicht eines Tages als kommerzielles Produkt in den Regalen der Supermärkte wiederfindet.

AK EUROPA hat sich in seinen Gesprächen mit den EU-Abgeordneten unter anderem für eine Kennzeichnung von offenen Waren ausgesprochen und unterstützt die Einführung der „Ampel“. Auch die Herkunft eines Produktes soll klar ersichtlich sein. Die weiteren Forderungen sind im AK EUROPA-Positionspapier nachzulesen.


Weiterführende Informationen:

AK EUROPA-Position zur Information der Verbraucher über Lebensmittel


Ampelrechner der Bundesarbeitskammer Österreich