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ZurückAm 27. Januar 2021 stellte die Kommission ihr Grünbuch zum Thema Altern vor und leitete damit eine 12-wöchige öffentliche Konsultation zum Grünbuch ein. Der erste Eindruck ist jedoch ernüchternd, so eine erste Analyse der Arbeiterkammer.
Vieles deutet darauf hin, wie eine erste Analyse der AK-ExpertInnen zeigt, dass die Kommission auch mit dem neuen Grünbuch auf ihre alten „Allheilmittel“ setzt: Zentrale Ableitungen des Grünbuch sind einmal mehr die Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters ) und der Ausbau kapitalgedeckter Pensionssysteme.
Diskurse zum Thema „demografischer Wandel“ und „Generationengerechtigkeit“ beginnen oft mit „apokalyptisch“ anmutenden Thesen eines drohenden Wohlstandsverlusts oder der vermeintlich bevorstehenden Unfinanzierbarkeit der sozialstaatlichen Absicherung (u.a. in den Bereichen der Alterssicherung, Gesundheit und Pflege). Dies wird in der Regel dem Zusammenspiel einer steigenden Lebenserwartung, der deutlichen Zunahme der Zahl der Älteren, einem sinkenden Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, gedämpften Produktivitätsfortschritten und einem mitunter zu „generösen“ System an sozialstaatlicher Versorgung zugeschrieben.
Grünbuch: Analytische Defizite und Widersprüche
Auch im Grünbuch wird zum Teil eine bedrohliche Kulisse gemalt. Die analytischen Defizite und Widersprüche werden anhand der Aussagen zum Pensionsalter besonders deutlich: Im Grünbuch wird die „Herausforderung der Alterung“ mit der Verschlechterung der sog ‚old-age dependency ratio‘ (Verhältnis zwischen der Altersgruppe 65+ und der Altersgruppe 20-64) beschrieben. Dazu wird präsentiert, dass es bis 2040 zu keiner Verschlechterung dieser ‚old-age dependency ratio‘ käme, wenn „old-age“ dann nicht mehr mit 65, sondern mit 70 Jahren beginnen würde.
Damit suggeriert die Kommission wenig verklausuliert, dass den demografischen Herausforderungen ganz einfach mit einer massiven Erhöhung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters begegnet werden kann und soll. Diese beschränkte Sicht bedeutet einen schwerwiegenden analytischen Rückschritt seitens der Kommission. Bereits 2012 hat die Kommission in ihrem Weißbuch Pensionen klargestellt, dass rein demographische Relationen und deren Veränderung allein noch sehr wenig aussagen, weil es eben nicht bloß auf die Relation von Altersgruppen, sondern auf die ökonomische Abhängigkeitsquote – also das Verhältnis von LeistungsempfängerInnen zu Erwerbstätigen – ankommt! Anstatt einer massiven Erhöhung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters, wäre die ökonomisch und sozial wesentlich sinnvollere Alternative, eine bessere Erwerbsintegration der Menschen im Erwerbsalter. Trotz der massiven Zahl an Arbeitslosen, Unterbeschäftigten oder oft gesundheits- und arbeitsmarktbedingten) FrühpensionistInnen (2016 waren in der EU 28% aller Pensionisten jünger als 65, wird dieser Weg einfach ausgeblendet.
Mit dieser Einseitigkeit bleibt wohl weiterhin der Blick auf ökonomisch und gesellschaftlich betrachte bessere Lösungen verstellt, wie z.B. die über den Lebenszyklus bessere Nutzung der bestehenden Arbeitsmarktpotenziale – insbesondere von Arbeitsuchenden, Frauen und anderen benachteiligten Gruppen. Wie diese Vorschläge auch mit zentralen Zielen, die im Rahmen der Europäischen Säule der sozialen Rechte postuliert werden, im Ansatz vereinbar sind, bleibt ebenfalls offen.
Positiv am Grünbuch hervorzuheben ist, dass es gute und sinnvolle Ansätze zur Gesundheits- und Bildungsförderung über den Lebenszyklus hinweg, zur Stärkung von Ansätzen zur Geschlechtergleichstellung, zu hoher Qualität und leistbarem Zugang zu elementaren Dienstleistungen (von Bildung, Gesundheit bis zur Pflege) skizziert.
Arbeiterkammer: Integrierter Ansatz notwendig
Dass die Alterung der Gesellschaft eine enorme Herausforderung ist, ist evident. Nur die Anpassungserfordernisse und die abgeleiteten Maßnahmen unterscheiden sich massiv in Abhängigkeit von den analytischen Konzepten und – oft interessengeleiteten – Paradigmen der Europäischen Kommission. Damit der Generationenvertrag und die damit verbundene sozialstaatliche Absicherung auch in Zukunft funktionieren kann, braucht es jedenfalls:
- einen glaubwürdigen Paradigmenwechsel der zentralen AkteurInnen zu einer „investiven und präventiven“ Strategie in zentralen Politik- und Handlungsfeldern (ua Bildungspolitik, Sozialpolitik, Arbeitsmarktpolitik, Unternehmenskultur),
- eine beschäftigungsfördernde Makropolitik und den Abbau der Arbeitslosigkeit,
- die (Re)Integration der Arbeitslosen und Arbeitsuchenden in Erwerbsarbeit,
- die Sicherstellung bzw. Schaffung einer qualitativ hochwertigen Aus– und Weiterbildung,
- Herstellung entsprechender Rahmenbedingungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie,
- eine Verbesserung des Gesundheitsschutzes und des berufsbegleitenden Lernens als Voraussetzung für einen längeren Verbleib in Beschäftigung,
- eine bessere Erwerbsintegration von Menschen im höheren Erwerbsalter (alternsgerechte Arbeitsplätze, etc.),
- die Schaffung adäquater Arbeitsplätze für Menschen mit eingeschränkter Arbeitskapazität,
- die Umwandlung prekärer und informeller Arbeitsformen in reguläre Beschäftigung,
- ausgewogene Verteilung der Erwerbsarbeit,
- faire Verteilung des erarbeiteten Wohlstands!
Weiterführende Informationen:
Kommission: Grünbuch zum Thema Altern
Kommission: Presseaussendung Grünbuch Altern
Öffentliche Konsultation zum Grünbuch Altern