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Im Februar 2008 wurde vom Rat der Mitgliedstaaten und vom Europäischen Parlament der Vorschlag der Kommission für eine 3. Post-Richtlinie angenommen. Darin ist vorgesehen, dass die vollständige Marktöffnung im Postbereich bis zum 31. Dezember 2010 (für einige Mitgliedstaaten der EU-10 bis Ende 2012) erfolgen muss.
Die Postdienste in der EU unterliegen der Postrichtlinie von 1997. Mit dieser Richtlinie wurde ein Regulierungsrahmen geschaffen, der den so genannten „reservierten Bereich“ allmählich einschränkt. Dies waren ursprünglich Postsendungen unter 350 g, nach der Änderung von 2002 nur noch Sendungen unter 100 g und seit dem 1.1.2006 nur noch Sendungen unter 50 g. Mit der 3. Post-Richtlinie soll nun auch der geschützte Bereich unter 50 g vollständig liberalisiert werden. Der Beginn der völligen Liberalisierung wurde erst nach einem Kraftakt des Europäischen Parlaments auf Anfang 2011 verschoben, nachdem die Europäische Kommission in ihrem ursprünglichen Entwurf die volle Marktöffnung bereits per Anfang 2009 durchsetzen wollte.

Die Postrichtlinie sieht auch vor, dass die Kommission alle 2 Jahre den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament Bericht über die Ergebnisse der Postliberalisierung erstatten muss. Dabei geht es nicht nur um technische Aspekte wie die Wettbewerbssituation, sondern auch um soziale Faktoren, Beschäftigungsaspekte und die Qualität der Dienste. Dieser Bericht wurde in der vergangenen Woche in Brüssel vorgestellt.

Interessant ist, dass in den einzelnen Teilen des Berichts durchaus unterschiedliche Interpretationen der Fakten zu beobachten sind. Während die Zusammenfassung des Berichts unter der vielsagenden Überschrift „Die Auswirkungen der Postrichtlinie auf den Markt“ feststellt, „Marktöffnung und die Einführung des Wettbewerbs sind die Schlüsselinstrumente für die Schaffung von Arbeitsplätzen und ein besseres Dienstleistungsangebot für die Kunden“ und weiter kein Wort über die sozialen Bedingungen und Beschäftigungsverhältnisse verliert, ist in den Begleitdokumenten anderes zu lesen.

So steht hier beispielsweise zu lesen, dass durch die Liberalisierung der Anteil der Lohnkosten an den Gesamtkosten der Postbetreiber von 80% zu Beginn der 1990er Jahre auf unter 55% bei einigen europäischen Anbietern gesunken ist – ein deutlicher Hinweis auf massiven Stellenabbau. Und so findet man auch in den Begleitdokumenten, dass die Anzahl der Beschäftigten 2006 im Vergleich zum Jahr 1997 europaweit um 7,7% zurückgegangen ist.

Und auch in den Länderteilen der Studie von ECORYS, die Grundlage des Kommissionsberichts ist, ist Interessantes zu lesen. So steht hier über Österreich, dass aufgrund der Liberalisierung Postämter und Arbeitsplätze in signifikantem Ausmaß geschlossen und gestrichen wurden, insbesondere im Zeitraum 2001-2006. Betrug die Zahl der Beschäftigten der österreichischen Post 2001 noch 30.357, so waren es im Jahr 2005 nur mehr 25.192. Und die Studie kommt noch zu einem weiteren erwähnenswerten Ergebnis: Das oft zitierte Argument, dass Arbeitsplatzverluste bei den traditionellen Postanbietern durch Arbeitsplatzzugewinne bei sogenannten alternativen Anbietern, also neuen Konkurrenten, wettgemacht werden, gilt nicht im Falle Österreichs. Dafür ist die Zahl von Teilzeitarbeitskräften und LeiharbeitnehmerInnen in Österreich explodiert. So hat sich beispielsweise die Anzahl der Teilzeitarbeitskräfte innerhalb des letzten Jahrzehnts verdoppelt. Und auch das Ersetzen von regulären Arbeitskräften durch LeiharbeitnehmerInnen ist in vollem Gange.

Dies sind die Schattenseiten der Liberalisierungsideologie, die insbesondere die ArbeitnehmerInnen zu spüren bekommen, und die von der AK wiederholt kritisiert wurden und werden. Warum diese negativen Aspekte im Kommissionsbericht nur im „Kleingedruckten“ zu lesen sind, bleibt als Frage im Raum stehen.


Weiterführende Informationen:

Bericht der Kommission über die Anwendung der Postrichtlinie

Begleitdokument zum Bericht der Kommission (nur in Englisch verfügbar)

Länderteil Österreich der ECORYS-Studie (nur in Englisch verfügbar)