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ZurückBei einem handelspolitischen Workshop am 19. November 2019 diskutierten ExpertInnen, wie Handelsverträge öffentliche Dienstleistungen gefährden und welche Möglichkeiten es gibt, die Handelspolitik so auszurichten, dass eine nachhaltige und öffentliche Daseinsvorsorge für alle garantiert werden kann. Der vom Europäischen Gewerkschaftsverband öffentlicher Dienst (EPSU), AK EUROPA, ÖGB Europabüro und Europäischem Gewerkschaftsbund (ETUC) gemeinsam organisierte Workshop vernetzte dazu Fachleute über nationale und europäische Grenzen hinaus.
Zunächst adressierte der kanadische Experte Scott Sinclair die Zusammenhänge des grünen Wandels und der just transition mit der Notwendigkeit einer starken öffentlichen Daseinsvorsorge. Seiner Analyse nach kann nur die Nutzung öffentlicher Dienstleistungen diese großen Veränderungen effektiv voranbringen und demokratisch gestalten. Auch die Möglichkeiten, die Gesellschaft fairer und offener für alle zu machen, braucht die Stütze und aktive Hand des öffentlichen Dienstleistungssektors. Die vor allem für den Staat kostspieligen Einschränkungen durch das System des Investitionsschutzes (ISDS und ICS) ist hier ebenso ein Hindernis wie die Regelungen zum Marktzugang. Daher fordert Sinclair, dass vor allem auch Investitionsschiedsverfahren gegen klimarelevante Maßnahmen aufgegeben werden und öffentliche Dienstleistungen besser vor Privatisierungsdruck zu schützen.
Der AK Experte Oliver Prausmüller hob hervor, dass eines der größten Probleme der „neuen Generation“ von Handels- und Investitionsverträgen der EU mit Drittstaaten ihre Ausweitung auf immer mehr Lebensbereiche ist. Daraus entsteht ein vermehrter Druck auf Regulierungen im öffentlichen Interesse, der insbesondere auch Leistungen der Daseinsvorsorge betrifft. Er zeigte beispielsweise auf, welche Risiken für Liberalisierungen durch die Hintertür im Rahmen von Abkommen wie CETA, TiSA oder auch Australien und Neuseeland entstehen können. Umso mehr braucht es eine vollständige und rechtssichere Ausnahme von öffentlichen Dienstleistungen aus Handels- und Investitionsabkommen. Eine gemeinsame Studie von AK EUROPA und EPSU bietet dazu eine juristisch ausgearbeitete Musterklausel zum Schutz öffentlicher Dienstleistungen. Öffentliche Dienstleistungen sind schließlich ein Kernelement des Sozialstaats und müssen zum Wohle aller demokratisch und allen zugänglich gestaltet sein.
Aus Sicht von Lucile Falgueyrac, Expertin aus dem Europäischen Parlament, wird diesen Aspekten im Europäischen Parlament noch nicht genug Beachtung geschenkt. Neben dem Problem der zahnlosen Nachhaltigkeitskapitel und der Investitionsschutzklauseln, die die aktive Steuerung durch den Staat vor allem in der aktuellen Klimakrise einschränken, ergeben sich insbesondere Fragen zu Menschenrechten und Handel im Rahmen unternehmerischer Sorgfaltspflichten. In den kommenden Monaten werden neben dem besonders umstrittenen Mercosur-Abkommen vor allem auch Verhandlungen zu e-commerce, die innerstaatliche Regulierung von Dienstleistungen und die Zukunft des Multilateralismus im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO eine wichtige Rolle in der Handelspolitik spielen. Ihrer Einschätzung nach wird sich mit Phil Hogan als designiertem neuen Handelskommissar an der Ausrichtung der europäischen Handels- und Investitionspolitik nichts Wesentliches ändern.
Der Workshop machte jedoch deutlich, dass die EU-Handelspolitik künftig ihren Beitrag zu einer just transition, einem guten Leben für alle und die Bewältigung der Klimakrise leisten muss. Vor diesem Hintergrund müssen auch öffentliche Dienstleistungen vor Privatisierungsdruck geschützt werden, um vor allem auch ihr Potential als aktive Kraft im anstehenden grünen Wandel entfalten zu können. Dass dies mit geeinten Kräften gelingen kann, konnte mit der Europäischen BürgerInneninitiative „Right2Water“ bereits bewiesen werden.
Weitere Informationen:
AK EUROPA: Model clauses for the exclusion of public services from trade and investment agreements
Kampagne „Rechte für Menschen, Regeln für Konzerne – Stopp ISDS!“
ETUC Position: WTO Reform to promote sustainable development, social justice and decent work