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ZurückUnter dem Motto „Gemeinsam. Widerstandsfähig. Europa.“ übernahm Slowenien mit 1. Juli 2021 seine sechsmonatige Ratspräsidentschaft. Im Vergleich zu früheren Präsidentschaften war der Start jedoch recht holprig.
Die Schlagzeilen zu Beginn der slowenischen Ratspräsidentschaft dominierte eine Beleidigung seitens des slowenischen Innerministers Ales Hojs, die in der Verweigerung eines gemeinsamen Fotos durch den Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Frans Timmermans, mündete. Und auch der Vorstellung des slowenischen Ratsprogramms durch den slowenischen Ministerpräsidenten Janez Janša vor dem Europäischen Parlament folgte eine kritische Debatte zur Rechtsstaatlichkeit.
Vier Prioritäten hat sich die slowenische Ratspräsidentschaft im Rahmen ihres Programms gesteckt: Unter dem Stichwort „Resilienz, Aufbau und Strategische Autonomie“ will sie die EU nicht nur besser vor Pandemien schützen, sondern vor allem auch gegen Cyberangriffe. Gleichzeitig bestätigt sie den bisher eingeschlagenen Weg aus der Krise, der über den digitalen, grünen und gerechten Wandel erfolgen soll. Als zweite Priorität will Slowenien die im Mai 2021 gestartete Konferenz zur Zukunft Europas mit zahlreichen Debatten in der EU vorantreiben, um Ideen aus der Bevölkerung für das Europa der Zukunft zu sammeln. Eine weitere Priorität ist „eine glaubwürdige und sichere EU, die auch Sicherheit und Stabilität in der Nachbarschaft gewährleisten kann“. Dabei wird das NATO-Bündnis genauso betont wie das Ziel, die Außengrenzen abzusichern und zwischen legaler und illegaler Migration unterscheiden zu wollen.
Besonders im Fokus stehen wird Slowenien aber hinsichtlich ihrer vierten Priorität, „die europäische Lebensweise, Rechtsstaatlichkeit und gleiche Maßstäbe für alle fördern“ zu wollen. Denn obwohl das Programm festhält, den „hohen Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich des Rechtes auf freie Meinungsäußerung“ sichern zu wollen, steht Slowenien und sein Ministerpräsident Janez Janša genau wegen Angriffen auf Meinungsfreiheit und Pressefreiheit auf nationaler Ebene in der Kritik.
Zu diesem Punkt äußerten sich dementsprechend auch zahlreiche Abgeordnete zum Europäischen Parlament im Rahmen der Aussprache mit Janez Janša am 6. Juli 2021: Während der liberale Abgeordnete Malik Azmani (Renew) den slowenischen Ministerpräsidenten in einem „schrägen Club“ verortet, der die freien Medien nicht achtet sowie JournalistInnen und RicherInnen unter Druck setzt, sieht es der Abgeordnete Martin Schirdewan der linken Fraktion im EP (GUE/NGL) als politischen Skandal, wie Slowenien derzeit Medienfreiheit und die Unabhängigkeit der Justiz zu beschneiden versucht. Die Fraktionsvorsitzende der SozialdemokratInnen des Europäischen Parlaments, Iratxe Garcia Perez (S&D), erinnerte daran, dass das Europäische Parlament die einzige direkt vom Volk gewählte EU-Institution ist und sie für eine Zusammenarbeit offenstehe, wenn es Janša wolle. Neben der Rechtstaatlichkeit kritisierte sie auch den Umstand, dass Slowenien als einziges Land bisher keine RichterInnen für den EU-Staatsanwaltschaft (EuStA) nominiert hat.
Differenziert fiel auch die Wortwahl von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aus: Trotz „aller Unterschiede“ wolle sie gemeinsam mit Slowenien arbeiten. Wichtig sei Vertrauen, und dies ist an gute Regierungsführung, robuste Maßnahmen gegen Korruption sowie freie Medien- und Gerichtsbarkeit geknüpft. Außerdem erinnerte sie an die Worte Janšas vor 15 Jahren, als Slowenien – ebenfalls unter Ministerpräsident Janez Janša – erstmals den EU-Ratsvorsitz innehatte: Menschen, die nicht in der EU geboren sind, wissen, dass die EU nichts Selbstverständliches ist. Es ist deshalb alles zu tun, um die EU zu erhalten, zu stärken und weiterzuentwickeln. Genau bei dieser Stärkung und Weiterentwicklung, um beispielsweise Meinungs- und Medienfreiheit aufzubauen, könne Janša auf die Kommissionspräsidentin zählen.
Weiterführende Informationen:
Slowenischer Ratsvorsitz: Programm
AK EUROPA: Portugiesischer Ratsvorsitz mit sozialem Schwerpunkt
AK EUROPA: Mehrjähriger Finanzrahmen erhält Mechanismus zur Rechtsstaatlichkeit
AK EUROPA: EU-Kommission präsentiert ihren ersten Bericht zur Rechtsstaatlichkeit