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Transparenz – ein wesentlicher Grundpfeiler der Juncker-Kommission – soll europäische Praxis werden. Gerade bei der Besteuerung von Unternehmen und Gewinnen klafft eine große Lücke zwischen Anspruch und Realität; hier muss noch viel getan werden. Diese Woche wurde in Ausschüssen des europäischen Parlaments über zwei maßgebliche Richtlinienentwürfe abgestimmt. Die vorläufigen Abstimmungsergebnisse scheinen tatsächlich mehr Transparenz zu bringen, aber leider nur auf Ebene der Unternehmen selbst, nicht aber für jede und jeden einzelnen von uns.

 

Ein faires und effizientes Steuersystem ist ein wichtiger Grundpfeiler eines funktionierenden Binnenmarktes und ein Thema, das EU-weiter Lösungen bedarf. Dabei soll sichergestellt werden, dass Unternehmen einerseits dort Steuern bezahlen, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften, und dass andererseits niemand den gleichen Gewinn doppelt besteuern muss.

 

Der Richtlinienentwurf zur länderspezifischen Berichterstattung großer Unternehmen sieht die Schaffung von mehr Transparenz hinsichtlich der erwirtschafteten Gewinne vor, wodurch aufgezeigt wird, wo zu wenig Steuern gezahlt werden, weil komplizierte internationale Strukturen und Schlupflöcher ausgenutzt werden. Am 12. Juni ist über eben diesen Bericht im zuständigen Ausschuss für Wirtschaft und Währung und dem Rechtsausschuss abgestimmt worden. Der vorläufig angenommene Bericht sieht eine verpflichtende länderweise Offenlegung für multinational agierende Unternehmen ab einem Mindestnettoumsatz von 750 Millionen Euro für alle Staaten – innerhalb wie außerhalb der EU – vor, in denen sie tätig sind. Ein niedrigerer Schwellenwert von 40 Millionen Euro Umsatz, der einen weitgrößeren Anteil multinational agierender und über kleine und mittlere hinausgehende Unternehmen abgedeckt hätte, hat sich nicht durchsetzen können.

 

Stattdessen wurde auf Bestreben konservativer und liberaler Parteien eine Ausnahmeregelung in den Bericht aufgenommen – Unternehmen können von der Offenlegung absehen, wenn es sich um wirtschaftlich sensible Daten handelt, sie dies vermerken und entsprechend bewilligen lassen. Globale Unternehmen können so „in Absprache mit Regierungen der Steuertransparenz entkommen – und das auf unbegrenzte Zeit“, wie die österreichische Abgeordnete Evelyn Regner als zuständige Berichterstatterin mit Bedauern festhält. Dem Anspruch, Daten für alle zugänglich zu machen und echte Transparenz über Steuerbehörden hinaus zu schaffen, wird der Berichtsentwurf damit nicht gerecht. Auch kleine und mittlere Unternehmen, die ihre Steuern fair bezahlen, werden in dem Vorschlag nicht ausreichend mitberücksichtigt. Stattdessen wurden neue Schlupflöcher für große Unternehmen wie Amazon, Starbucks und Co geschaffen, um ihre Steuerlast legal zu verringern. Endgültig ist diese Fassung aber noch nicht: Die Abstimmung im Plenum des Europäischen Parlaments soll am 5. Juli erfolgen.

 

Anders als bei der Transparenz nach außen hin stehen die Zeichen für mehr Transparenz aus Unternehmensperspektive gut. Hier ist ein Richtlinienentwurf zu Streitbeilegungsmechanismen im Falle von Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen im Parlamentsausschuss für Wirtschaft und Währung angenommen worden, der am 4. Juli im Plenum besprochen werden soll. Konkret soll der Entwurf multinational tätigen Unternehmen erleichtern, doppelt besteuerte Gewinne rückvergütet zu bekommen. Bisher sind solche Streitigkeiten vor allem auf bilateraler, also zwischenstaatlicher Ebene der Mitgliedsstaaten geregelt worden. Unternehmen sollen keinen Nachteil dadurch erleiden, in mehreren Staaten tätig zu sein. Der neu beschlossene Streitbeilegungsmechanismus soll Unternehmen mit festgelegten Fristen und einer einheitlichen Struktur Einblicke in vorgesehene Beilegungsverfahren geben und damit sowohl Transparenz als auch Sicherheit schaffen. Dieser Vorschlag sei auch hinsichtlich des ebenfalls aktuell diskutierten Vorschlages zu einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage wichtig, wie der Kommissionsentwurf betont. Diese sieht in einem ersten Schritt nur eine gemeinsame Bemessungsgrundlage vor, bevor es letztlich zu einer konsolidierten Berechnung, also einer Aufteilung der zu besteuernden Beträge auf alle Mitgliedsstaaten, in denen das Unternehmen tätig ist, kommen soll.

 

Unternehmen sollen also keinesfalls zu viele Steuern bezahlen. Laut dem zuständigen Berichterstatter Michael Theurer der ALDE Fraktion beläuft sich der aktuelle Streitwert anhängiger bilateraler Doppelbesteuerungsbeilegungsverfahren auf rund 10,5 Milliarden Euro. Gleichzeitig aber gestaltet es sich schwierig, Unternehmen dazu zu bringen, ihren fairen Anteil zu den staatlichen Steuereinnahmen beizutragen. Die so entgangenen staatlichen Steuereinnahmen belaufen sich nach konservativen Schätzungen auf mehr als 100 Milliarden Euro und damit auf weitaus größere Summen, die beispielsweise im Gesundheits-, Beschäftigungs-, Bildungs- und Pflegebereich dringend benötigt wären. Während auf europäischer Ebene also versucht wird UnternehmerInnen Rechtssicherheit bei Doppelbesteuerung zu bieten, wird auf echte Steuertransparenz weiterhin verzichtet.

 

 

Weiterführende Informationen:

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AK EUROPA Positionspapier zur gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (CCCTB)

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