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ZurückIn einem Schreiben appellierten Parlamentsabgeordnete aus den Fraktionen der Sozialdemokrat:innen, Grünen, Linken und Liberalen an die Europäische Kommission und den Rat, ihre Anstrengungen für eine nachhaltigere Handelspolitik zu verstärken. Dies sei notwendig, um die EU-Handelspolitik noch in dieser Legislaturperiode endlich im Einklang mit der doppelten Transformation zu gestalten.
Aufgrund der coronabedingten globalen Lieferkettenunterbrechungen rückte die Handelspolitik in letzter Zeit vermehrt in den Fokus. Auch die Produkte, deren Produktion dramatischen Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden verursacht und schlussendlich im Globalen Norden angeboten werden, erregten große Aufmerksamkeit unter Bürger:innen in ganz Europa. Vor allem im Lichte dieser Entwicklungen fehle es der Kommission und dem Rat laut den unterzeichnenden Abgeordneten des Europäischen Parlaments an Ambition: Zwar gebe es einige positive Entwicklungen, wie die Einführung des „Single Entry Point“, über welchen Beschwerden zu Verstößen gegen die Bestimmungen in Nachhaltigkeitskapiteln eingereicht werden können. Der Rat konnte sich jedoch nicht auf einen Standpunkt zur Überprüfung der Handelspolitik durch die Europäische Kommission einigen. Des Weiteren hat die Europäische Kommission bis vor kurzem die Vorlage von Rechtsvorschriften zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht und Unternehmensverantwortung hinausgezögert.
Kapitel zu Handel und nachhaltiger Entwicklung (TSD) sollen überarbeitet werden
Nachhaltigkeitskapitel in EU-Handelsabkommen sollen Handelspartner:innen zur Einhaltung gewisser Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards verpflichten. 2020 kündigte EK Vizepräsident und Handelskommissar Dombrovskis die Überprüfung der Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung (TSD) an, um so eine verbesserte Anwendung und Durchsetzung dieser Standards zu garantieren. Die endgültige Fassung soll Anfang Februar 2022 präsentiert werden. Die Parlamentarier:innen, die das Schreiben unterzeichnet haben, messen der Überprüfung des TSD-Kapitels große Bedeutung bei. Entscheidend dabei ist jedoch, dass die Maßnahmen des TSD-Kapitels in den Ländern der Handelspartner:innen auch wirklich überwacht und durchgesetzt werden.
Nachhaltige Handelspolitik braucht Umsetzung, Überwachung und Durchsetzung
Das Schreiben betont, dass noch vor Inkrafttreten der Handelsabkommen dafür gesorgt werden muss, dass etwaige Umsetzungslücken bei Praktiken und Rechtsvorschriften der Handelspartner:innen anhand eines Aktionsplans geschlossen werden. Weiters bedarf es einer verbesserten Überwachung, um zu wissen, wie die TSD-Kapitel auch tatsächlich umgesetzt werden. Hierbei sollen Gewerkschaften, Umweltorganisationen, NGOs und Unternehmen in einem Beratungsgremien mitwirken. Letztendlich muss auch sichergestellt werden, dass Handelsabkommen mit wirksamen Mechanismen zur Durchsetzung von Arbeits- und Umweltnormen ausgestattet sind. Dabei braucht es klare Konsequenzen, um die Ursache von Verstößen zu ermitteln.
Handel als Lösung ökologischer und sozialer Missstände?
Die MEPs sehen in der Handelspolitik ein mächtiges Instrument, um die ökologischen und sozialen Ambitionen der EU zu erreichen. Dem stimmte die Generaldirektorin der GD Handel, Sabine Weyand, nur teilweise zu: Beim letzten Austausch mit der Zivilgesellschaft am 25 Jänner 2022 warnte sie vor der Überfrachtung von Handelsabkommen. So sei es zwar wichtig, dass Nachhaltigkeit in Handelsabkommen behandelt werde, doch könnten damit nicht alle Nachhaltigkeitsprobleme gelöst werden. Einige Schwerpunktsetzungen der Europäischen Union könnten aber durchaus das Durchsetzungsvermögen in Bezug auf Nachhaltigkeit anhand autonomer Instrumente erhöhen. Als Beispiel hierfür führt sie das Allgemeine Präferenzsystem (APS) an, das gerade neu verhandelt wird. Hinsichtlich sozialer Aspekte ist besonders die Ankündigung der Kommission, Zwangsarbeit z.B.: von den Uiguren in China verbieten zu wollen, zu begrüßen. Mit Hilfe dieses neuen Verbots soll die Handelspolitik mit den Werten der EU in Einklang gebracht werden und soll helfen, dass sich die EU als globale Vorreiterin für einen gerechten Übergang in der Handelspolitik profilieren kann.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Corporate Sustainability Reporting - Nachhaltiges Wirtschaften braucht Mitbestimmung
AK EUROPA: Große Mehrheit der Menschen in Europa für ein starkes Lieferkettengesetz
EURACTIV: EU-Kommission kündigt Verbot von unter Zwangsarbeit hergestellten Produkten an
A&W Blog: Handel mit dem globalen Süden - Arbeit&Wirtschaft Blog (awblog.at)