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Zurück130 Staaten einigten sich am 1. Juli 2021 auf OECD-Ebene, einen globalen Mindeststeuersatz von 15 % einzuführen. Wie dies auf EU-Ebene technisch möglich ist und warum dieser Mindeststeuersatz schnell Realität werden muss, war Thema eines Webinars von AK EUROPA und dem ÖGB Europabüro, das am Tag der Einigung stattfand.
Mit der Einigung auf OECD-Ebene stellt sich für die EU die Frage, wie ein effektiver Mindeststeuersatz auf EU-Ebene rechtlich auch tatsächlich eingeführt werden kann. Das bei Steuerfragen in der EU verankerte Einstimmigkeitsprinzip sowie die EuGH-Judikatur zu den Grundfreiheiten sind nämlich Rahmenbedingungen, die die praktische Umsetzung vor Herausforderungen stellt. Hierzu hat die AK eine Studie beauftragt, die Wege für eine ökonomisch sinnvolle und rechtlich mögliche Umsetzung aufzeigt.
Prof. Johannes Becker (Univ. Münster) beschrieb einleitend die ökonomischen Aspekte eines Mindeststeuersatzes. Gerade nach der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2009 standen der massiven Sparpolitik vieler Länder zunehmende Berichte über international agierende Konzerne gegenüber, die durch Gewinnverschiebungen kaum Steuern entrichteten. Seit 2013 gibt es deshalb auf OECD-Ebene Diskussionen zur faireren Besteuerung multinationaler Unternehmen. Prof. Becker stellt dabei klar, dass wir einen effektiven Mindeststeuersatz brauchen, um die Gewinnverlagerung dieser Unternehmen in Niedrigsteuerländer zu vermeiden sowie eine gerechtere Verteilung der Steuereinnahmen und eine Minderung des Steuerwettbewerbs zwischen den Staaten zu erreichen.
Zu den rechtlichen Aspekten führte Prof. Joachim Englisch (Univ. Münster) aus, dass es spezielle Hürden gibt, um diese effektive Mindeststeuer in der EU einzuführen. So könnte die Mindeststeuer Unternehmen mit grenzüberschreitenden Aktivitäten diskriminieren und der Niederlassungsfreiheit widersprechen. Dementsprechend besteht die Gefahr, dass die Mindeststeuer in der EU de facto ausgehebelt wird. Als mögliche Lösung schlägt er ein „avoider pays“-Prinzip vor: Indem die Mindeststeuer nicht mehr von der Konzernmutter, sondern vom niedrig besteuerten Tochterunternehmen im Ausland direkt eingehoben wird, würde keine Diskriminierung mehr vorliegen, weil das Tochterunternehmen trotz Mindeststeuer weniger Steuern zahlen würde als das vergleichbare Unternehmen im Inland.
Johan Langerock, politischer Referent der Grünen Fraktion im Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments, gab zu bedenken, dass bei der aktuellen Einigung von 130 Staaten vier EU-Mitgliedstaaten nicht dabei sind, nämlich Irland, Estland, Ungarn und Zypern. Angesichts des Einstimmigkeitsprinzips bei Steuerfragen in der EU wird dies die konkreten Verhandlungen bei der Umsetzung erschweren. Mögliche Auswege im Falle einer Blockade wäre eine intensivierte Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten oder einzelstaatliche Festsetzungen durch die willigen Mitgliedstaaten. Für die Kommission könnte außerdem eine Strategie sein, auf die nächsten Schritte des US-Kongresses zu warten, der noch im Herbst Maßnahmen gegen den Steuerwettbewerb zwischen den US-Mitgliedstaaten setzen will. Dadurch könnte sich ein Momentum auch in der EU ergeben. Als weitere Option für die Kommission sieht er, den Mindeststeuersatz mit jener geplanten Digitalsteuer zu verbinden, die von den EU-Institutionen als Eigenmittel im Rahmen der Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 für die nächsten Jahre angekündigt ist.