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ZurückDie EU Kommission arbeitet aktuell intensiv an Regulierungsmaßnahmen für Internetplattformen. Der ideale Zeitpunkt also, um im Rahmen einer Abendveranstaltung von AK EUROPA und ÖGB Europabüro am 3. Dezember 2019 die Probleme mit diesen Internetriesen und die verschiedenen Lösungsansätze zu diskutieren.
Der Studienautor Leonhard Plank stellte eingangs die Ergebnisse der AK Studie „Internet-Plattformen als Infrastrukturen des digitalen Zeitalters“ vor und erörterte die Dimensionen der Marktmacht von Internetplattformen sowie Möglichkeiten ihrer Regulierung. Wegen ihrer Dominanz seien Internetplattformen wie Google, Apple, Facebook, Amazon und Co mittlerweile vergleichbar mit Infrastrukturunternehmen. Sie erwerben auch schrittweise physische Infrastruktur wie zum Beispiel die weltweiten Übersee-Internetkabelverbindungen. Außerdem profitieren die Internetplattformen von sich gegenseitig verstärkenden Effekten, zum Beispiel vom „Ringen der Marktmacht“ oder dem „Medici Teufelskreis“. Es wird damit ersichtlich: Macht führt zu mehr Macht. Um dem entgegenzuwirken, schlug Plank daher eine Regulierung von Preisen und Marktzugang („Flaschenhals“) vor, und auch die Möglichkeit, zwischen den Systemen umzusteigen, wäre essentiell. Im Wettbewerbsrecht müssen zudem Kriterien wie die Anzahl der NutzerInnen, Datenkonzentration und KonsumentInnenrechte stärker berücksichtigt werden. Nur damit könne die Marktmacht durchbrochen werden.
Thomas Kramler, Abteilungsleiter der GD Wettbewerb der Europäischen Kommission, argumentierte, dass die großen Internetplattformen sehr komplex seien und komplizierter als staatlichen. Das Wettbewerbsrecht könne nicht alle Probleme lösen, wie zum Beispiel schlechte Arbeitsbedingungen. Kramler versicherte aber, dass bereits mehrere Direktorate der Kommission an der Koordinierung ihrer Ansätze, unter anderem bezüglich der Wechselwirkungen zwischen Wettbewerbs- und Arbeitsrecht, arbeiten würden. ArbeitnehmerInnen der Internetplattformen könnten damit ein Kollektivvertragsrecht erhalten und jene, die fälschlicherweise als EinzelunternehmerInnen deklariert werden, sollen besser geschützt werden. Das Wettbewerbsrecht soll auch beschleunigt und an die aktuellen Herausforderungen angepasst werden.
Die Wettbewerbspolitik-Expertin der Arbeiterkammer, Ulrike Ginner, wies darauf hin, dass das Wettbewerbsrecht durchaus mehr könne als durch die Kommission dargestellt. Zwar würden mit jeder Plattform andere Fragen auftreten, jedoch sei die Marktmacht der großen Internetplattformen an sich ein Problem für KonsumentInnen, ArbeitnehmerInnen und den fairen Wettbewerb. Daher dürfen die unlauteren Praktiken nicht nur im Nachhinein bestraft werden, sondern es müssen bereits vorab faire Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Aktuell hinke das Wettbewerbsrecht aber hinterher, insbesondere bei der Dauer der Verfahren und der notwendigen Modernisierung. So müsse bei Fusionskontrollen die Datenkonzentration der ausschlaggebende Faktor sein.
Patrick Grant, BusinessEurope, merkte an, dass Plattformen viel komplexer seien als jede Infrastruktur und daher nicht mit diesen verglichen werden können. Er verwies auch darauf, dass bereits einige Regelungen für Internetplattformen existieren würden, wobei es durchaus Verbesserungspotential gäbe: Die Regulierung dürfe nicht nur auf die „big four“ fokussieren und es brauche einen kohärenten gesetzlichen Rahmen. Aus seiner Sicht sei Marktmacht alleine nicht das Problem, sondern nur dessen Ausnutzung. Schlechte Arbeitsbedingungen seien das Resultat schlechten unternehmerischen Verhaltens und habe nichts mit der Unternehmensgröße zu tun: Nur weil ein Unternehmen groß ist, ist es deswegen nicht böse.
Darauf konterte der Gewerkschafter Michael Gogola, GPA-djp: Es gibt vielleicht keine Kausalität, aber durchaus eine Korrelation zwischen schlechten Arbeitsbedingungen und der Größe der Internetplattformen. Prekäre Arbeitsbedingungen würden für den Wettbewerbsvorteil genutzt, etwa durch die Definition der ArbeitnehmerInnen als EinzelunternehmerInnen wie zum Beispiel bei Uber. Auch die Steuervermeidung und Datenkonzentration stärke die Marktmacht der Internetplattformen. Eine Richtlinie für PlattformarbeiterInnen, die eine genaue Definition des Begriffs „ArbeitnehmerIn“ enthält und Mindeststandards festlegt, könnte einige Probleme lösen. Zudem sollte festgelegt werden, dass Unternehmen nachweisen müssen, dass keine ArbeitnehmerInneneigenschaft besteht, und nicht umgekehrt. Diese Beweislastumkehr würde die ArbeitnehmerInnen in ihren Rechten immens stärken.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Studie „Internet-Plattformen als Infrastrukturen des digitalen Zeitalters“
A&W Blog Internet-Plattformen als Infrastrukturen des digitalen Zeitalters