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ZurückEine von AK EUROPA und dem Europäischen Gewerkschaftsinstitut (ETUI) in Auftrag gegebene Studie setzt sich mit der Beteiligung sozialer Akteur:innen im RRF auseinander. Bei einer Online-Veranstaltung am 7. September 2021 präsentierten die Studienautor:innen erstmals Ergebnisse dieser Studie. Sie kommt zum Schluss, dass soziale Akteur:innen zwar in den RRF-Prozess involviert sind, ihre Beteiligung jedoch Gefahr läuft, ohne substanzielle Auswirkungen zu bleiben.
Als Reaktion auf die Covid-19 Pandemie und deren Folgen wurde auf europäischer Ebene die Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF) ins Leben gerufen, um die Mitgliedsstaaten bei der Bekämpfung der Krise finanziell zu unterstützen. Eine von AK EUROPA und dem Europäischen Gewerkschaftsinstitut (ETUI) in Auftrag gegebene Studie setzt sich mit der wichtigen Frage auseinander, welche Möglichkeiten es für soziale Stakeholder:innen (Gewerkschaften, Zivilgesellschaft) gibt, Einfluss auf den RRF-Prozess zu nehmen. Im Rahmen eines Webinars wurden die ersten Studienergebnisse präsentiert, die gleichzeitig auch im Rahmen eines AK EUROPA Policy Briefs veröffentlicht wurden.
Die Autor:innen der Studie, Bart Vanhercke (European Social Observatory) und Amy Verdun (Universität Victoria, Kanada) beschrieben die Einführung der Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF), bei welcher unter dem Vorwand einer schnellen Implementierung die Involvierung und Konsultation der Stakeholder:innen vernachlässigt wurde. In diesem Sinne war die Rolle sowie der Einfluss sozialer Akteur:innen in der Anfangsphase der RRF nur marginal. In dieser neuen Governance-Struktur mussten soziale Akteur:innen daher neue Wege und Netzwerke erschließen, um im Rahmen der Entscheidungsprozesse Gehör zu finden. Durch die aufkommende Online-Meeting-Kultur gelang es sozialen Akteur:innen in weiter Folge jedoch zunehmend, in die politischen Prozesse rund um die RRF stärker involviert zu werden.
Trotz dieser positiven Entwicklung kommt die Studie zum Schluss, dass soziale Akteur:innen zwar die Möglichkeit hatten und nutzten sich einzubringen, deren Konsultation jedoch ohne substanzielle Auswirkungen auf die RRF und die nationalen Pläne blieb. Die Studienautor:innen forderten für die Zukunft eine transparente und systematische Einbindung sozialer Akteur:innen, welche eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung der RRF ist.
Im Anschluss daran skizzierte Norbert Templ (AK Wien) die Einbindung der Arbeitnehmer:innen-Vertreter:innen bei der Erstellung des österreichischen RRF-Plans und bemängelte, dass Sozialpartner nur marginal involviert wurden. Er wies auf bedenkliche institutionelle Veränderungen innerhalb des RRF-Prozesses hin, da aufgrund der Kopplung der finanziellen Mittel an bestimmte Meilensteine die Kommission in Zukunft die Möglichkeit hat, stärker in nationale Politikfelder einzugreifen und gegebenenfalls auch Gelder zurückzuhalten, wenn einzelne Reformen nicht implementiert werden. Von besonderer Bedeutung wird deshalb sein, das Europäische Semester neu auszurichten und zu demokratisieren: Nachhaltige Entwicklung von Wohlstand und Wohlergehen muss als übergeordnetes Ziel im Europäischen Semester verankert werden. Das Europäische Parlament sollte in allen Bereichen des Europäischen Semesters mitentscheiden können, auch bei den länderspezifischen Empfehlungen. Wichtig – so Templ – ist auch die in den nächsten Monaten zu erwartende intensive Debatte um den Stabilitäts- und Wachstumspakt, bei welchem dringender Reformbedarf besteht, beispielsweise durch Verankerung einer goldenen Investitionsregel.
Sotiria Theodoropoulou vom Europäischen Gewerkschaftsinstitut (ETUI) betonte, dass die Dringlichkeit der Implementierung der RRF nicht auf Kosten fehlender Einbindung der Stakeholder:innen gehen darf. Außerdem brauche die Kommission mehr politische Legitimität. Schließlich verwies sie darauf, dass das Maß der Einbindung von sozialen Akteur:innen unter den Mitgliedstaaten stark variiere.
Benoît Lallemand von Finance Watch wies auf die Notwendigkeit hin, sich vom Primat der Wirtschaft in der europäischen Politik abzuwenden. Des Weiteren betonte er, dass aufgrund der „Feuerlöscher“-Strategie bei der Umsetzung der RRF die Zivilgesellschaft wenig Zeit hatte, sich zu organisieren. Nichtsdestotrotz sollte die Chance der Stakeholder:innen-Involvierung umfassend genutzt werden. Dabei verwies er auf eine Aktionswoche, die Finance Watch Ende September 2021 plant und an der sich auch AK EUROPA beteiligen wird.
Im Rahmen der Diskussion verwies Judith Vorbach von der AK Oberösterreich und Mitglied des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) auf die zentrale Rolle des Programms „Next Generation EU“ für die europäische Integration, problematisierte jedoch nachdrücklich die fehlende Beteiligung der Bürger:innengesellschaft und der Sozialpartner. Zwar sei die soziale Dimension im Rahmen von Next Generation EU verankert, jedoch nur unzureichend konkretisiert. Dementsprechend betonte sie den Reformbedarf in Bezug auf das Europäische Semester und verwies hierbei auf die Kohäsionspolitiken in der EU, in welchen die soziale Dimension sowie die Einbindung der Stakeholder:innen zentrale Rollen spielen.