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ZurückIn den EU-Mitgliedstaaten gibt es verschiedene Formen von Mindestsicherungssystemen, welche jedoch zumeist nur unzulänglichen Schutz vor Armut bieten. Um die Mitgliedstaaten bei der Armutslinderung und der Verhinderung sozialer Ausgrenzung zu unterstützen, startete die EU- Kommission am 4. März 2022 eine Konsultationen bezüglich einer geplanten Empfehlung zu Mindesteinkommensregelungen. Auch die AK brachte dabei ihre Expertise und Positionen ein.
Im Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte wurden drei Kernziele der EU für 2030 festgelegt: (1.) Die Zahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen soll um mindestens 15 Millionen verringert werden, (2.) mindestens 78 % der Bevölkerung im Alter von 20 bis 64 Jahren sollen erwerbstätig sein und (3.) mindestens 60 % aller Erwachsenen sollen jedes Jahr an einer Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen.
Bereits für den Zeitraum 2010 bis 2020 hatte es sich die EU zum Ziel gesetzt, die Zahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen in der EU um 20 Millionen senken – dieses wurde jedoch deutlich verfehlt. Im Arbeitsprogramm für 2022 hat die Kommission nun erneut eine Initiative zu Mindesteinkommen angekündigt. Eine rechtlich verbindliche Richtlinie wäre nach Einschätzung der AK das geeignetste Instrument, um auf EU-Ebene Definitionen, Grundprinzipien und Mindeststandards festzulegen. Dass die Kommission nun in Aussicht stellt, einen Vorschlag für eine Ratsempfehlung vorzulegen, greift bedauerlicherweise nicht nur zu kurz, sondern fällt auch hinter frühere Ankündigungen der Kommission, eine Richtlinie vorzulegen, zurück. Umso wichtiger wird es deshalb sein, dass die Empfehlungen klare Leitlinien vorlegen, an denen sich nationale Systeme orientieren können.
Notwendige Vorschläge, auch für Österreich
Rund 35 % der Menschen in der EU, die von Armut bedroht sind, haben keinen Anspruch auf Mindestsicherung oder andere Sozialleistungen – wie die Kommission in der Aufforderung zur Stellungnahme anführt. Daher ist es aus Sicht der AK essenziell, dass dieser Zugang für alle gesellschaftlichen Gruppen, die diese Unterstützung benötigen, also auch für alle Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte, gewährleistet wird. Zudem muss die Antragstellung für Sozialhilfeleistungen so gestaltet sein, dass sich Menschen weder stigmatisiert noch entwürdigt fühlen. Um wirklichen Schutz vor der Armutsfalle zu bieten, muss die Höhe der Mindestsicherungsleistung zumindest auf die jeweilige Armutsgefährdungsschwelle angehoben werden. Weiters sollten sie mit hochqualitativen Qualifizierungs- und Beratungsangeboten ergänzt werden, um nach Möglichkeit den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu unterstützen.
Sozialleistungssysteme dürfen keinesfalls durch unverhältnismäßige Sanktionen existenzbedrohende Lebenslagen erzeugen. Dazu gehört auch, dass Gesetze bzw Bescheide klar formuliert werden und dem Grundsatz der Rechtssicherheit entsprechen. Des Weiteren sollte die Mindestsicherung durch weitere Sozialleistungen, wie z.B Familienunterstützung, Wohnbeihilfe sowie Angebote der sozialen Infrastruktur wie etwa der Kinderbetreuung oder der Gesundheitsversorgung ergänzt werden. Damit Armut präventiv verhindert werden kann, spielt auch die Lohnentwicklung eine wichtige Rolle, die durch eine flächendeckende Abdeckung von Kollektivverträgen wirksam unterstützt werden kann.
Für Österreich hatte das 2018 eingeführte Sozialhilfe-Grundsatzgesetz zu einem massiven Rückschritt im Bereich der Bekämpfung und Vermeidung von Armut geführt. Unter anderem wurden statt Mindeststandards Höchstgrenzen für die Sozialhilfe festgelegt. Die erfolgten Leistungskürzungen für bestimmte Gruppen und die Einschränkung zusätzlicher möglicher Unterstützungsangebote der Bundesländer müssen rasch zurückgenommen werden. Zudem müsste eine deutliche Anhebung der Leistungshöhe zumindest auf das Niveau der Armutsgefährdungsschwelle erfolgen — gerade die aktuelle enorme Teuerung verdeutlicht die Wichtigkeit dieser Forderung.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Policy Brief: Action Plan on the Pillar of Social Rights and EU Social Summit - Social Realignment of the EU needed (Nur Englisch)
AK EUROPA: Mindesteinkommen – Ist die Zeit reif für eine EU-Richtlinie?
EU-Kommission: Empfehlung zum Mindesteinkommen
A&W-Blog: Aktionsplan für eine sozialere Europäische Union