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Gut zwei Jahre nach den „Paradise Papers“, der Aufdeckung von belastenden Steuerdaten von ca. 300.000 Briefkastenfirmen in Panama durch das investigative Journalistennetzwerk ICIJ, lud der Sonderausschuss für Finanzkriminalität des EU-Parlaments (TAX3) am 21. Juni 2018 zu einer öffentlichen Anhörung, um die globale Lage bei internationaler Steuervermeidung und -hinterziehung erneut auszuloten.

 

Zur Anhörung waren nicht nur SteuerexpertInnen von der OECD, Wissenschaft (COFFERS) und Qualitätsmedien (The Guardian/ICIJ) eingeladen, sondern auch Vertreterinnen von Nike und McDonalds stellten sich den Fragen der Abgeordneten. Während Nike zu jenen multinationalen Unternehmen zählt, deren Steuervermeidungspraktiken gut durch die „Paradise Papers“ belegt wurden, geriet McDonalds durch eine neue Studie („Unhappier Meal Report 2018“) welche die 2017 vorgenommene und hochgradig intransparenten Restrukturierung des Unternehmens aufdeckt, unter Druck. Die EU-Kommission könnte den Konzern außerdem noch mit bis zu 500 Mio € Steuerrückzahlung an Luxemburg wegen illegaler staatlicher Beihilfe belegen.

 

Beide KonzernvertreterInnen beschränkten sich auf wenig substanzvolle und teils widersprüchliche Antworten. Zum Beispiel kritisierte die Vertreterin von McDonalds die Erkenntnisse des „Unhappier Meal Reports“ als missverständlich und faktisch falsch. Dennoch könne sie keinen Nutzen in einer schriftlichen Stellungnahme zu den fehlerhaften Befunden erkennen, wie sie der Abgeordnete Jeppe Kofod (S&D, DK) im Laufe der Sitzung mehrfach anfragte. Beide Unternehmen betonten zwar die Unterstützung der „BEPS-Richtlinien“ der OECD gegen Erosion der Steuerbasis, nutzen aber dennoch perfide Methoden, um solche Transparenzmaßnahmen zu umgehen: Dazu gehören Umwälzungen durch Lizenzgebühren und konzernintern stark verbilligte Verrechnungspreise, Zweigstellen in Steueroasen wie Delaware (McD) oder Bermuda (Nike), und hochkomplexe Unternehmensstrukturen.

 

Andere multinationale Konzerne, die zur Anhörung geladen waren, bemühten sich erst gar nicht darum, Rede und Antwort zu stehen: Die Beratungsfirmen Appleby und Baker McKenzie, die als maßgebliche Vermittlungsstellen zur panamaischen Steueroase und der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca gelten, lehnten die Einladung ohne jede Begründung ab. Der französische Modekonzern Kering begründete sein Fernbleiben mit zeitlicher Nichtverfügbarkeit des CEOs. Apple – dessen effektiver Steuerschnitt in einer neuen Studie auf EU-weit 1% geschätzt wird (vgl. klassische EU-Unternehmen 23,2%) — entschuldigte sich wegen laufenden Verfahren. Ausschussvorsitzender Petr Ježek (ALDE, CZ) verwies zu Recht auf die Unzulässigkeit dieser Ausreden.

 

Zu Wort kam auch der Leiter OECD-Stelle für Steuerkoordination, Achim Pross. Während Pross den weltweit auf 240 Milliarden $ geschätzten Steuerverlust durch aggressive Steuerplanung — also 10% des globalen Unternehmenssteueraufkommens von 2,4 Billionen $ — als problematisch bezeichnete, gab er sich mit Blick in die Zukunft optimistisch. Durch die 2017 implementierte EU-weite länderspezifische Berichterstattung und den automatischen Informationsaustausch von Steuerdaten multinationaler Konzerne ab einem Gesamtumsatz v. 750 Millionen € sehe er bereits eine „Verhaltensänderung“ der betroffenen Konzerne.

 

Auch die Wissenschaftlerin vom niederländischen Rechercheprojekt COFFERS, Lucia Rossel Flores, sah multinationale Steuervermeider durch besseren Informationsaustausch zunehmend in Zugzwang gebracht, verwies aber auch auf die nunmehr entstandene soziale Ungleichheit, die mit dem Steuerwettlauf nach Unten in starkem Zusammenhang stehe. Eine führende Aufdeckerin der Panama-Papiere, Juliette Garside vom britischen Guardian bzw. vom Internationalen Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ), erwähnte die kostenintensiven strategischen Unterlassungsklagen (sogenannte SLAPP-Klagen) u.a. von Appleby und im Zuge der Panama-Aufdeckungen von JournalistInnen in Kauf genommen werden mussten. Sie forderte neben einer Anti-SLAPP-Gesetzesinitiative auch eine EU Agentur gegen Geldwäsche, um Fällen wie in Malta und der Slowakei vorzubeugen.

 

Wie bereits in einem früheren Artikel berichtet, konnte der Sonderausschuss zu Finanzkriminalität (TAX3) mit dem im Dezember 2017 veröffentlichen Bericht zur Steuervermeidung wichtige Forderungen stellen: Einheitliche europäische Steuernormen – vor allem in Hinblick auf stark abweichende Länder wie Luxemburg, Großbritannien, Irland und Zypern; eine bessere Finanzierung der mangelhaft ausgestatteten Behörden; oder ein garantierter Schutz für WhistleblowerInnen, wie er seit Ende April bereits im Rechtsausschuss des EU-Parlaments besprochen wird.

 

Leider unterliegen Steuerfragen – und damit ein Großteil der wirklich effektiven Maßnahmen gegen Steuervermeidung – nicht der gemeinschaftlichen Politik der Union und befinden sich damit außerhalb des Einflussbereichs des Parlaments. Das bedeutet, dass letztlich die FinanzministerInnen alleine per Einstimmigkeitsprinzip entscheiden, wobei gerade die für Unternehmen steuergünstigeren Mitgliedsstaaten gerne dagegen stimmen. Das wird etwa bei der gerade in Neuverhandlung befindlichen Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) der Fall sein, die aus Sicht der Arbeiterkammer ein zentrales Instrument für eine faire Besteuerung multinationaler Konzerne ist.

 

Weiterführende Informationen:

AW-Blog: Paradise Papers – Steuerskandal bringt brisante Fälle aus Österreich ans Tageslicht

ICIJ: New Panama Papers Leak Reveals Firm's Chaotic Scramble to Identify Clients, Save Business Amid Global Fallout

GUE/NGL-Studie: Apple´s golden delicious tax deals in Ireland — less than 1% Tax in the EU?

EPSU-Studie: Unhappier Meal – Tax Avoidance Still on the Menu at McDonald´s

AK- Positionspapier: Richtlinienvorschlag für eine Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage