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ZurückAm 27. Mai 2020 war es soweit: Die Kommission stellte den mit Spannung erwarteten Wiederaufbauplan vor. 500 Milliarden Euro sollen der europäischen Wirtschaft wieder auf die Beine helfen und den Weg für anstehende Transformationen ebnen, weitere 250 Milliarden einzelnen Mitgliedstaaten mit günstigeren Krediten helfen.
Die politische Debatte um den Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft bestimmt bereits seit Wochen die europäische Öffentlichkeit. Letzte Woche stellten Angela Merkel und Emmanuel Macron ihre Vision eines Aufbaufonds vor. Als Novum galt dabei, dass sich die Kommission erstmalig Geld auf den Kapitalmärkten leihen darf, de-facto gemeinsame Anleihen, die dann über den EU-Haushalt an die Mitgliedsstaaten verteilt werden. Ein Volumen von 500 Milliarden Euro Hilfsgeldern sollte so generiert werden, die dann mehrheitlich in Form von Zuschüssen und nicht – wie etwa von Österreich, Schweden, Dänemark und den Niederlanden gefordert - in Form von Darlehen den Mitgliedsstaaten zu Gute kämen.
„Next Generation EU“: 750 Milliarden Euro für den Sprung nach vorne
Die Kommission teilt diese Vision und erhöht den Einsatz: 500 Milliarden Euro sollen zusätzlich zum Mehrjährigen Finanzrahmen in den Wiederaufbau fließen und weitere 250 Milliarden Euro in Form von Darlehen vergeben werden. Der überarbeitete Mehrjährige Finanzrahmen 2021-2027 sieht weitere 1,1 Billionen Euro vor. Daneben stehen noch die Mittel für den SURE-Fonds, den ESM Pandemic Crisis Support und die zusätzliche Finanzierung durch die EIB zur Bekämpfung der Krise zur Verfügung.
Für den Weg aus der Krise setzt die Kommission auf Investitionen rund um den Green Deal und die digitale Agenda, die Europa auch für die nächsten Generationen zukunfts- und widerstandsfähig machen sollen. Ziel sei es, Investitionen nicht gegen Krisenmaßnahmen auszuspielen und somit für alle Mitgliedsstaaten leistbar zu machen. Dabei spalten sich die Gelder aus dem „Next Generation EU“-Instrument in eine Vielzahl von bereits bestehenden EU-Förderprogrammen auf. So soll gewährleistet werden, dass die Mittel zielgerecht ausgegeben werden. Zur Stärkung der sozialen Dimension soll der Fonds für den gerechten Übergang von lediglich 7,5 auf nunmehr 40 Milliarden Euro aufgestockt werden. Auch die Kohäsionsprogramme, darunter auch der Europäische Sozialfonds, können mit einem Plus von 55 Milliarden Euro rechnen, die beispielsweise dem Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit und Kinderarmut gemäß dem Bedarf der Mitgliedsstaaten zu Gute kommen sollen. Ein neues Gesundheitsprogramm soll die Kapazitäten der europäischen Gesundheitssysteme unterstützen und verbessern.
Neben der bislang verbittert diskutierten Schuldenaufnahme durch die Kommission sollen endlich auch neue Finanzierungsquellen erschlossen werden: EU-Eigenmittel sollen eine wichtige Rolle im Wiederaufbauplan spielen und die Haushalte der Mitgliedsstaaten bei der Rückzahlung entlasten. In ihrer Rede vor dem Europäischen Parlament kündigte Ursula von der Leyen an, Einnahmen aus dem Ausbau des Emissionshandels, CO2-Grenzsteuern, einer Plastiksteuer oder einer längst überfälligen Digitalsteuer generieren zu wollen.
Europäisches Parlament mehrheitlich zufrieden
Abgeordnete fast aller politischen Gruppen begrüßten den Aufschlag der Kommission als ambitioniert, verhältnismäßig und zukunftstauglich. Während die EVP von der "Rückkehr der Solidarität“ sprach, machte die Fraktion der SozialdemokratInnen mit Blick auf die bevorstehenden schwierigen Diskussionen im Rat erneut Druck für eine Entscheidung über den Haushalt mit qualifizierter Mehrheit, statt Einstimmigkeit. Die europäische Linke zeigte sich kritisch und prognostizierte eine erneut hohe Schuldenbelastung der Länder mit umfangreichem Mittelbezug. Schließlich müssten die durch die Kommission geliehen Gelder auch wieder zurückgezahlt werden, wenn auch ziemlich langfristig auf die Jahre 2028 bis 2058 verteilt. Hinsichtlich der im Rahmen des Europäischen Semesters angekündigten Wiederaufnahmen der Haushaltsregeln wurde vor einer „Austerität durch die Hintertür“ gewarnt. Renew Europe sprach sich mit Verweis auf Polen und Ungarn deutlich für eine Verknüpfung des Mittelbezugs an Prinzipen der Rechtsstaatlichkeit aus, die auch durch die Kommission vorgesehen ist.
Der Ball liegt nun beim Rat
Viele Staats- und RegierungschefInnen äußerten sich bereits positiv zum Kommissionsvorschlag, darunter auch Emmanuel Macron, der den deutsch-französischen Entwurf im Vorschlag der Kommission bestätigt sieht. Auch Italien und Spanien zeigten sich zufrieden, auch wenn der Vorschlag doch deutlich hinter dem weitreichenden Vorschlag von Spanien zurückbleibt. Ob sich die „Sparsamen Vier“, zu denen im Übrigen mit Österreich und den Niederlanden nur zwei Euro-Länder gehören, hinter dem Vorschlag versammeln können, bleibt abzuwarten. Von österreichischen EU-Abgeordneten kann sich die Regierung jedenfalls wenig Unterstützung einer weiteren Blockadehaltung erhoffen. Dänemark äußerte bereits Gesprächsbereitschaft, während die Niederlande auf dem in der letzten Woche veröffentlichten Papier und der Blockade einer Vergemeinschaftung von Schulden beharren. Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz äußerte sich dennoch optimistisch, eine gemeinsame Einigung im Rat erzielen zu können. Die Kommission drängt auf ein rasches Übereinkommen bis Juli diesen Jahres.
Weiterführende Informationen:
Europäische Kommission Factsheet: Den Europäischen Aufbauplan finanzieren
A&W Blog: 1.500 Milliarden für einen europäischen Marshall-Plan – (wie) ist das finanzierbar?
AK Budgetanalyse: Budget 2020: Schritte zur Überwindung der Corona Krise (200)