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ZurückAm 21. Juli 2020 einigte sich der Europäische Rat auf das größte Budgetpaket in der Geschichte der EU. Unmittelbar darauf sprach sich jedoch eine deutliche Mehrheit der EU-Abgeordneten gegen den entsprechenden Ratsbeschluss aus. Nun wurde im Haushaltsausschuss des Europäischen Parlaments über den Stand der Verhandlungen debattiert.
Der historischen Einigung des Europäischen Rates waren intensive Verhandlungen um einen – für alle Mitgliedsstaaten gangbaren – Kompromiss zum Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) sowie zum Wiederaufbauplan vorangegangen. Dass sich diese Verhandlungen als äußerst zäh erwiesen, war vor allem der Haltung der „frugalen Vier“ geschuldet, die sich vehement gegen eine solidarische Schuldenpolitik – in Form von Zuschüssen an die von der Coronakrise am stärksten betroffenen Mitgliedstaaten – einsetzten. Erschwert wurden die Verhandlungen aber auch durch Polen und Ungarn, die sich ihrerseits gegen eine Verknüpfung der Mittel mit verbindlichen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit stellten.
Entschließung des EP
Bereits unmittelbar nach der Verkündung einer Einigung durch den Europäischen Rat hagelte es von Seiten des Europäischen Parlaments Kritik. In einer Entschließung, die mit einer deutlichen Mehrheit am 23. Juli 2020 verabschiedet wurde, begrüßte das Parlament grundsätzlich, dass es eine Einigung gab. Kürzungen in den Bereichen Gesundheitspolitik, Forschung und Klimaschutz wurden aber ebenso vehement kritisiert wie die fehlende Verankerung von Konditionalitäten bezüglich Rechtsstaatlichkeit. Einschnitte im MFR würden den Interessen der EU und ihren politischen Schwerpunkten – allen voran dem Grünen Deal und der digitalen Wende – zuwiderlaufen. Außerdem wird in der Entschließung eine demokratische Beteiligung des Parlaments bei der Einrichtung des Wiederaufbauinstruments gefordert. Konkret fehlt dem Parlament im Ratsentschluss etwa die Möglichkeit zu überprüfen, wohin die Mittel des Wiederaufbauinstruments fließen sollen und ob diese wirklich „grün“ investiert werden.
Kampfansage aus dem Parlament
Nachdem in der Woche zuvor die Verhandlungen mit dem Rat über den MFR (inklusive den geplanten Eigenmitteln) und den Wiederaufbauplan begonnen hatten, trat am Dienstag, dem 1. September 2020, der Haushaltsausschuss des Europäischen Parlaments zusammen, um über den aktuellen Stand zu diskutieren. Insgesamt war die Stimmung unter den RednerInnen durchaus kämpferisch. Vor allem die Kürzung der finanziellen Mittel, die im Rahmen des MFR für die Leitprogramme der EU – etwa Horizon Europe oder Erasmus+ – vorgesehen sind, seien nicht hinzunehmen. Man werde deutlich machen, dass die Annahme des MFR in dieser Form für das Parlament keine Option sei, so der Tenor. Das Argument, angesichts der momentanen Krise dränge die Zeit, wurde zurückgewiesen. Mehrere Abgeordnete betonen, dass das Parlament schon vor zwei Jahren bereit für Verhandlungen zum MFR gewesen sei. Dass es hier bisher noch zu keinen Fortschritten gekommen sei, läge nicht am Parlament. Dieses lasse sich nicht zur Unterzeichnung eines schlechten Abkommen nötigen. Mehrmals wurde außerdem die Wichtigkeit eines einheitlichen und geschlossenen Auftretens des Parlaments betont. Nur so könne man sich in den Verhandlungen durchsetzen.
Historische Einigung mit Abstrichen
Wie Experten der Arbeiterkammer betonen, bringt der im Europäischen Rat gefundene Kompromiss im Vergleich zum bisherigen EU-Budget zwar entscheidende Verbesserungen mit sich, bleibt aber insgesamt hinter den Möglichkeiten für eine nachhaltige Entwicklung von Wohlstand und Wohlergehen in der EU zurück. Für das EU-Parlament gehe es jetzt einerseits darum, angesichts der wahrscheinlich größten wirtschaftlichen und sozialen Krise in der Geschichte der EU den Weg für rasche Gegenmaßnahmen zu ebenen, andererseits aber auch für entsprechende Nachbesserungen einzutreten – vor allem im Bereich der parlamentarischen Kontrolle.
Den Wiederaufbauplan „Next Generation EU“ begrüßt die AK, spricht sich allerdings für diverse Nachbesserungen aus. Unter anderem kritisiert sie die Verknüpfung von Zuschüssen an die Mitgliedstaaten mit dem Europäischen Semester und verweist darauf, dass die Mittel für den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) deutlich aufgestockt werden müssen. Klar sein sollte außerdem, dass die Beschäftigten und KonsumentInnen, die bereits jetzt die Hauptlast des EU-Haushalts tragen, nicht noch zusätzlich belastet werden dürfen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Positionspapier: EU-Haushalt als Motor für den Europäischen Aufbauplan
AK EUROPA: EU-Rat mit richtungsweisender Einigung zum europäischen Wiederaufbauplan
AK EUROPA: Die Stunde Europas: Kommission stellt Wiederaufbauplan vor