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ZurückFür multinationale Konzerne ist es aufgrund nicht mehr zeitgemäßer steuerlicher Vorschriften, daraus resultierender Schlupflöcher und mangelnder Transparenz möglich, durch komplexe Gesellschaftsstrukturen Steuern zu vermeiden oder zu hinterziehen. Diese Strukturen zu verstehen, ist selbst für ExpertInnen keine einfache Übung. Eine vom Europäischen Gewerkschaftsinstitut (ETUI) organisierte Veranstaltung zum Thema faire Besteuerung von Unternehmen nahm sich dieser Problematik an.
Die Veranstaltung versammelte SteuerexpertInnen aus den Gewerkschaften der Mitgliedsstaaten mit dem Ziel, unternehmerische Strategien der Gewinnverschiebung und damit der Steuervermeidung und Steuerhinterziehung besser zu verstehen und gewerkschaftliche Expertise zu stärken. Mit von der Partie waren ebenfalls das zu ETUI gehörende Europäische Kompetenzzentrum für die Partizipation von ArbeitnehmerInnen (EWPCC) und der gewerkschaftliche Beratungsausschuss bei der OECD (TUAC). Die AK war durch den Steuerexperten Martin Saringer vertreten.
Gewerkschaftliche Forderungen an die OECD
Sévérine Picard von TUAC merkte an, dass sich die ArbeitgeberInnenseite viel aktiver in die OECD-Initiative zur Eindämmung von BEPS (Base Erosion and Profit Shifting) einbringe als die Gewerkschaften. Die BEPS-Initiative sei grundsätzlich begrüßenswert, da sie durch die zweite Säule, die Festsetzung eines Mindeststeuersatzes unter Beteiligung von 135 Staaten, dem Steuerwettbewerb zwischen den Ländern Einhalt gebieten würde. Sowohl die AK als auch die TUAC treten für eine sog. „Unitary Taxation“ ein, durch den multinationale Unternehmen als einheitliches Unternehmen behandelt werden müssen. Dies würde verhindern, dass multinationale Unternehmen ihre Gewinne mit Hilfe von Tochtergesellschaften in Niedrigsteuerländer oder Steueroasen verschieben können, um die Steuerlast für den gesamten Konzern zu verringern. Zurzeit kann das gleiche Unternehmen nämlich noch mit sich selbst handeln, anhand von Verrechnungspreisen auf Basis des sogenannten Fremdvergleichsgrundsatzes („arms length principle“). Gerechter wäre es, die Gewinne auf Ebene des gesamten Unternehmens zu ermitteln und sie dann auf die Standorte entsprechend der wirtschaftlichen Aktivitäten aufzuteilen.
Debatte über den OECD-Ansatz und Besteuerung der Digitalkonzerne
Der Ökonom Johannes Becker und die Beraterin der S&D-Fraktion zu Steuerfragen, Aurore Chardonnet, erläuterten die Entwicklungen auf OECD-Ebene hinsichtlich der dringend notwendigen Neuregelungen zur Besteuerung von Digitalunternehmen. Laut Becker sei ein Mindeststeuersatz von 12,5 %, der dem irischen Unternehmenssteuersatz entspricht, zwar niedrig, aber dennoch sinnvoll, da er den Steuerwettbewerb („race-to-the-bottom“ bei den Körperschaftsteuersätzen) einfrieren würde. Die S&D-Fraktion fordert derzeit 18 % als Mindeststeuersatz. Aurore Chardonnet kritisierte das Einstimmigkeitsprinzip im Rat, das Blockaden durch die europäischen Steueroasen möglich machte. Wie auch die AK plädierte sie zudem unabhängig von den Vorschlägen der OECD zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft für die Einführung der Gemeinsam Konsolidierte Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage in Kombination mit einem Mindeststeuersatz in der Europäischen Union. Des Weiteren müssten Zivilgesellschaft und Gewerkschaften weiterhin Druck aufbauen, damit dies auch tatsächlich umgesetzt wird.
Mangelnde Transparenz schwächt ArbeitnehmerInnen
Das dichte Geflecht von Zweigstellen mit dem Ziel der Gewinnverschiebung ist oftmals kaum zu durchschauen. Des Weiteren schwächt es ArbeitnehmerInnen, da diese nicht wissen, wo Entscheidungen getroffen werden und ihre Rechte auf Information und Konsultation erheblich eingeschränkt sind. Um diese komplexen Informationen zu verstehen, bräuchte es eine Ausweitung der Transparenzvorschriften („public Country by Country Reporting“) und entsprechende Aus- und Weiterbildungsangebote für ArbeitnehmerInnenvertreterInnen. Toufik Saada von der Expertengruppe Syndex zeigte anhand des Beispiels der Euro Disney Gruppe, die das Disneyland in Paris betreibt, wie sich intransparente Unternehmemsgeflechte auch auf die Situation von ArbeitnehmerInnen auswirken. Euro Disney wird vom Mutterkonzern in den USA, der Disney-Gruppe, schuldenfinanziert und wirft daher auf dem Papier keine steuerpflichtigen Gewinne in Frankreich ab. Die 15.000 Beschäftigten erhalten lediglich den französischen Mindestlohn und werden mit geringfügigen Zusatzzahlungen abgespeist. Auch deswegen fordern Gewerkschaften die Offenlegung der Unternehmensumsätze und –gewinne.
Rat blockiert öffentliche Konzernsteuerklärungen
Ein wichtiger Schritt wäre die öffentliche länderbezogene Steuerberichterstattung für Großunternehmen, das sogenannte Country-by-Country-Reporting gewesen. Am Donnerstag kam es im Rat für Wettbewerbsrecht zu einer wichtigen Abstimmung zu diesem Richtlinienentwurf. Während im Vorhinein klar war, dass die europäischen Steueroasen wie Irland und Luxemburg, aber auch Österreich mit Nein stimmen würden, kam es auf das deutsche Votum an. Deutschland enthielt sich der Abstimmung, wodurch keine qualifizierte Mehrheit zu Stande kam und so ein wichtiges Instrument im Kampf gegen Steuervermeidung verhindert wurde.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: OECD nimmt erneut Anlauf für mehr Steuergerechtigkeit
AK EUROPA: Neue Zahlen zu Steuerhinterziehung: 46 Milliarden Euro Verlust
AK EUROPA: Kampf gegen Steuertricks: EP-Sonderausschuss setzt hohe Ansprüche