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ZurückBereits vor der Krise wurde über die Chancen und Risiken diskutiert, die Handelsabkommen für Frauen mit sich bringen (könnten). Nun trifft die Coronakrise Frauen besonders heftig – auch im internationalen Handel.
Hinsichtlich der Benachteiligung von Frauen wirkt die Coronakrise wie ein Brennglas, das bereits bestehende Ungleichheiten drastisch verschärft. Frauen leiden in Folge der Pandemie unter Jobverlust, einem reduzierten Zugang zu Bildung, mehr Verantwortung im Haushalt und bei der Versorgungsarbeit sowie vermehrt unter häuslicher Gewalt. Im Rahmen der Europäischen Woche der Geschlechtergleichstellung lud der Handelsausschuss des EU-Parlaments nun zu einer Debatte über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise auf Frauen im internationalen Handel.
Handelsabkommen als Hebel für mehr Geschlechtergleichheit?
Laut Amrita Bahri, Ko-Vorsitzende des Lehrstuhlprogramms der WTO, können in Handelsabkommen verankerte Bestimmungen zur Geschlechtergleichstellung dazu beitragen, die negativen Folgen der Pandemie für Frauen im internationalen Handel abzufedern. Das Problem: Selbst wenn solche Bestimmungen in Handelsabkommen vorgesehen sind, fehlt es in der Praxis oft an Möglichkeiten, diese Bestimmungen durchzusetzen, an einer Institution, die die Implementierung der Bestimmungen vorantreiben würde oder an einer ausreichenden Finanzierung.
Anoush der Boghossian von der WTO-Anlaufstelle für Genderfragen betonte, dass die Krise Frauen auch deswegen so hart trifft, weil einerseits von Frauen geleitete Unternehmen häufig klein und damit überdurchschnittlich stark betroffen sind, Frauen andererseits verhältnismäßig oft in besonders krisengebeutelten Sektoren arbeiten – etwa in der Lebensmittelproduktion, der Mode- und Textilindustrie oder im Tourismus: Alles Sektoren, die auch für den internationalen Handel von Bedeutung sind. Auch deshalb plädiert sie dafür, dass alle staatlichen Rettungs- und Unterstützungspakete im Zusammenhang mit der Coronakrise frauenfördernde Maßnahmen beinhalten müssen.
Um die Auswirkungen von Handelsabkommen auf Frauen besser einschätzen zu können, bemühe sich die EU-Kommission vor allem um die Gewinnung zuverlässiger Daten, so Madelaine Tuininga von der Generaldirektion Handel. Seit dem Abkommen zwischen der EU und Südkorea gebe es in allen Handelsabkommen eigene Bestimmungen zum Thema Geschlechtergleichheit. Und auch auf WTO-Ebene werde an einer Erklärung zu dem Thema gearbeitet.
Selbstbestimmungsrecht als Grundvoraussetzung
Ebenfalls zu Debatte eingeladen war die Vorsitzende des Frauenausschusses (FEMM), Evelyn Regner (S&D). Sie begrüßte, dass der Handelsausschuss als erster Ausschuss des EU-Parlaments eine Beteiligung an der Woche der Geschlechtergleichstellung initiierte. Mit Blick auf die Verschärfung des ohnehin schon äußerst restriktiven Abtreibungsrechts in Polen stellte Regner klar, dass das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper Grundvoraussetzung dafür ist, dass Frauen sich überhaupt am internationalen Handel oder anderen wirtschaftlichen Aktivitäten beteiligen können.
Frauen als Billiglohnkräfte
Laut dem Europäischen Gewerkschaftsinstitut (EGI) führen Handelsabkommen in Niedriglohnländern des globalen Südens speziell in exportorientierten Branchen dazu, dass Tätigkeiten, die eine geringe Qualifikation erfordern, überproportional oft von Frauen ausgeführt werden – Jobs, die wiederum oft mit niedrigen Löhnen, längeren Arbeitszeiten und weniger Schutz vor Ausbeutung verbunden sind. Globale Konzerne würden Frauen im internationalen Handel gezielt als billige Arbeitskräfte nutzen, um die eigenen Profite zu maximieren, so die irische Abgeordnete Clare Daly (GUE/NGL).
Aus Sicht der Arbeiterkammer ist es deshalb wichtig, dass sich entsprechende Bestimmungen in Handelsabkommen nicht ausschließlich auf Geschäftsführerinnen fokussieren – denn faktisch leiden unter den negativen Folgen der Abkommen in erster Linie die Arbeiterinnen und Angestellte. Wird das ausgeblendet, werden Handelsabkommen nicht dazu führen, dass sich die Situation für die Mehrheit der Frauen verbessert.
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