Nachrichten
ZurückAnlässlich des 25. Jahrestages der UN-Peking-Deklaration wurde von Seiten des Frauenausschusses des Europäischen Parlaments die erste europäische Woche der Geschlechtergleichstellung ausgerufen. Der Beschäftigungs- und Sozialausschuss nahm dies zum Anlass, sich am 28. Oktober 2020 mit aktuellen Forschungsergebnissen des Europäischen Gleichstellungsinstituts zu bezahlter und unbezahlter Sorgearbeit auseinanderzusetzen.
Mangelnde Unterstützung bei Kinderbetreuung
Blandine Mollard vom Europäischen Institut für Geschlechtergleichheit (EIGE) präsentierte in der Ausschusssitzung den Status Quo im Bereich der Sorgearbeit und präsentierte darauf aufbauende Empfehlungen. Investitionen in leistbare und qualitative Betreuungsdienste für Familien sind durch die aktuelle Krise noch notwendiger geworden. Bereits 2002 wurden die Barcelona-Ziele vereinbart, welche den Ausbau von Betreuungseinrichtungen für Kinder im Vorschulalter vorsehen. So sollen u.a. etwa für 90 % der Kinder zwischen 3 Jahren und dem Schuleinstieg zur Verfügung stehen, was viele EU-Staaten bisher noch nicht erreicht haben. Dies zeigt sich nach Blandine Mollard auch darin, dass 14 % der Haushalte ihren Bedarf an Kinderbetreuung nicht decken können. Dies habe sich durch den Wegfall von Unterstützungsangeboten durch die Pandemie abermals verschärft. Es bedarf daher unbedingt auch effizienter Regelungen für Corona-Sonderurlaube für Eltern. Einige Mitgliedsstaaten gingen hier schon mit gutem Beispiel voran.
Langzeitpflege – zwischen prekärer Beschäftigung und unbezahlter Sorgearbeit
Aktuell sind gemäß Blandine Mollard europaweit 6,3 Millionen Menschen in der Langzeitpflege beruflich tätig. Der Großteil von dieser Arbeit wird jedoch informell von 41 Millionen Menschen geleistet, der Frauenanteil liegt dabei bei 62 %. Häufig übernehmen Frauen zwischen 40 und 60 die Pflege von älteren Angehörigen, dies bedeutet oftmals Hürden beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt. Neben dem Abbau solcher Hürden bedarf es bei den Pflegeberufen dringend Lohnanhebungen und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen. Dies würde letztendlich auch den Anteil der Männer, die in diesem Bereich tätig sind, erhöhen sowie sich positiv auf den Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern auswirken. Zudem sind die Gesundheits- und Versorgungssysteme unterfinanziert und von der Sparpolitik nach der letzten Krise gezeichnet. Im Rahmen des Globalen Aktionstag zur Sorgearbeit am 29. Oktober 2020 riefen daher Gewerkschaften und Zivilgesellschaft Regierungen auf, dringend notwendige Investitionen zu tätigen.
AK sieht Richtlinienbedarf
Die Arbeiterkammer spricht sich zudem für die Einführung einer Richtlinie zu europaweiten Mindeststandards in Bezug auf die Gesundheitsberufe aus. Damit könnten einerseits die Arbeitsbedingungen verbessert werden und andererseits kann damit auch dem bestehenden Personalmangel entgegengewirkt werden. Die sogenannte „24h-Betreuung“ ist insbesondere von Prekarität, Scheinselbstständigkeit und Regelungsbedarf geprägt. Aus AK-Sicht bedarf es auch hier eine Rahmenrichtlinie, um die Rechte der „24-h BetreuerInnen“ effektiv abzusichern.
Ungleiche Betreuungspflichten, ungleicher Lohn
Blandine Mollard betonte zudem die enge Verknüpfung der ungleichen Aufteilung der unbezahlten Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern und deren ungleiche Bezahlung am formellen Arbeitsmarkt. Die Umsetzung der Work-Life-Balance Richtlinie sollte zudem laut Blandine Mollard priorisiert werden. Es zeigte sich bei den untersuchten Haushalten, dass gleiche Bezahlung der Geschlechter besser erreicht wird, wenn genügend Kinderbetreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und diese genutzt werden. Dies ist angesichts des am 4. November 2020 stattfindenden europäischen Gender Equal Pay Day einmal mehr ein Grund, den Ausbau von leistbaren Betreuungseinrichtungen voranzutreiben, eine geschlechtergerechte Aufteilung der unbezahlten Sorgearbeit zu fördern sowie die Arbeitsbedingungen in den Pflegeberufen und in der 24h-Betreuung drastisch zu verbessern. Die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern beträgt europaweit immer noch 16 %. Der Europäischen Gewerkschaftsbund zeigt auf: Ohne zusätzliche Maßnahmen wird die gleiche Bezahlung der Geschlechter erst 2104 erreicht werden. Die geplante Verschiebung des Kommissionsvorschlags zur Lohntransparenz vom 4. November 2020 auf den 15. Dezember 2020 wird angesichts der Dringlichkeit des Handlungsbedarfes vom Europäischen Gewerkschaftsbund ebenfalls sehr kritisch gesehen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Frauen verdienen mehr
AK EUROPA Policy Brief: Improving Conditions for Health Professionals and Live-in Care Workers
AK EUROPA Policy Brief: Gender Pay Gap
EIGE: Geschlechtergleichheit und Langzeitpflege zu Hause