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ZurückSeit Juli 2018 hat Österreich den Vorsitz der Ratspräsidentschaft inne, die Halbzeit wurde also schon überschritten. Bei einer von der Arbeiterkammer (AK EUROPA), dem Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB) und dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) organisierten Veranstaltung am 22. Oktober forderten die anwesenden GewerkschafterInnen den Österreichischen Vorsitz auf, sozialpolitische Themen zu priorisieren.
Die Österreichische Ratspräsidentschaft steht unter dem Motto „Ein Europa, das schützt“ und setzt ihre Schwerpunkte auf Sicherheit und Kampf gegen die illegale Einwanderung, Sicherung des Wohlstandes und der Wettbewerbsfähigkeit durch Digitalisierung und Stabilität in der Nachbarschaft. Bei steigendem sozialen Gefälle innerhalb der Europäische Union muss aber, um dem Motto gerecht zu werden, das soziale Europa gestärkt werden, das eine Konvergenz zwischen den Ländern ermöglicht. Die AK hat aus diesem Grund ein „Memorandum für ein soziales Europa – Bausteine für eine erfolgreiche österreichische EU-Ratspräsidentschaft 2018 aus Sicht der ArbeitnehmerInnen“ erfasst.
Wolfgang Katzian, Präsident des Österreichern Gewerkschaftsbunds (ÖGB), betonte die dringende Notwendigkeit einer Europäischen Arbeitsbehörde, der auch Sanktionsmöglichkeiten obliegen. Gerade aufgrund der Nähe zu Staaten mit einem niedrigeren Lohnniveau ist Österreich von Lohn- und Sozialdumping überdurchschnittlich betroffen. Die Gesetzeslage in Österreich sei in diesem Punkt zwar sehr gut, Strafen gegen Unternehmen in anderen Staaten können aber oft nicht exekutiert werden. Eine Europäische Arbeitsbehörde könne hierbei durch Zusammenarbeit der nationalen Behörden Abhilfe schaffen. Außerdem kritisierte Wolfgang Katzian die Novelle zum österreichischen Arbeitszeitgesetz und verwies auf die Bedeutung von hohen Sozialstandards auf europäischer Ebene hin, um Wettläufe nach unten zwischen den Mitgliedstaaten zu vermeiden.
Auch Josef Stredula, Präsident des Tschechischen Gewerkschaftsbunds (CMKOS), thematisierte die mangelnde Lohnkonvergenz der europäischen Länder und forderte vom Österreichischen Vorsitz eine Basis für ein europaweites Sozialsystem zu schaffen, um dieser Problematik entgegenzutreten. Auf Grundlage der bisherigen Entwicklung würde Tschechien erst in 80 bis 90 Jahre das Lohnniveau von Deutschland oder Österreich erreichen. Dass die Preiseniveaus weitaus weniger auseinanderliegen als die Löhne in Europa, verstärke das Problem. Daher forderte auch er gleichen Lohn, gleiche Standards und gleiche Rechte in ganz Europa, ohne aber die Rechte jener Länder mit hohen Standards abzusenken.
Luca Visentini, Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbunds (EGB), wies darauf hin, dass nicht nur mittel- und osteuropäische Länder von einer Europäischen Arbeitsbehörde und einer Richtlinie zu fairen und transparenten Arbeitsbedingungen profitieren würden, sondern auch Länder wie Spanien und Portugal. Außerdem kritisierte er die Österreichische Ratspräsidentschaft, die in ihrem Programm die Europäische Säule sozialer Rechte nicht einmal namentlich erwähnt hat. Bei gleichzeitiger Einführung der 60-Stunden-Arbeitswoche im eigenen Land ergibt dies ein fatales Signal nach außen. Deshalb sei Visentinis Hoffnung, dass in den verbleibenden Wochen noch Fortschritte erzielt werden können, um beim Europäischen Rat im Dezember Ergebnisse präsentieren zu können.
Miranda Ulens, Generalsekretärin des Belgischen Gewerkschaftsbunds (FGTB-ABVV), betonte die Bedeutung der Kommunikation mit den europäischen BürgerInnen. Soziale Themen und Sozialpolitik müssen vorangetrieben werden, um junge Menschen zu erreichen. Wenn diese von Geldnot und Zukunftssorgen getrieben werden, würde der Weg für rechtsextreme Parteien geebnet. Um sich dieser Entwicklung entgegenzustellen, organisieren der Belgischen Gewerkschaftsbun im Mai einen Kongress mit dem Ziel, ein europäisches Memorandum und konkrete Projekte zu entwickeln, die besonders junge Menschen und Frauen einschließen.
Joost Korte, Generaldirektor der DG für Beschäftigung und Soziales, weist auf die Aktivitäten der Europäischen Kommission hin, welche 13 Dossiers eingebracht hat von denen bald 4 abgeschlossen sind. Er wies jedoch auch auf die Ressourcenrestriktionen durch das Europäische Semester und den Europäischen Sozial Fond hin, die die Umsetzung von Sozialgesetzgebung in manchem Mitgliedsstaaten doch deutlich erschwert. Auch Korte betont die Bedeutung einer Europäischen Arbeitsbehörde, zumal die Kommission kein Mandat hat, auf die Lohnniveaus der Mitgliedstaaten direkt einzuwirken. Wohl aber kann die Kommission Konditionen für eine gute Lohnpolitik schaffen. Insgesamt zeichnet er ein positives Bild bei der Beschäftigungsquote in Europa und spricht von einer langsamen Annäherung der Mitgliedstaaten in Hinblick auf ihr Lohnniveau.
Christa Kammerhofer-Schlegel aus dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz berichtete, dass für die 2. Tranche der Karzinogene-Verordnung Anfang Oktober bereits eine Einigung im Trilog erzielt werden konnte. Für das Dossier zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben (Work Life Balance) hat der Trilog zwischen Parlament, Rat und Kommission nun begonnen. Zu den Dossiers für den Zugang von Sozialschutz von ArbeitnehmerInnen und dem Vorschlag einer europaweiten Arbeitsbehörde müssen jedoch noch gemeinsame Positionen der Mitgliedstaaten gefunden werden. In beiden Fällen hofft sie auf eine Einigung bis zum Rat am 6. Dezember 2018, denn die Zeit drängt, wenn diese Legislativvorschläge noch bis zur Europawahl 2019 abgeschlossen werden sollen.
Weiterführende Informationen:
AK Positionspapier: Memorandum für ein soziales Europa
A&W Blog: Faktencheck Lohnkonvergenz: Wächst Europa zusammen?
A&W Blog: Die europäische Hydra: Lohn- und Sozialdumping – Wettbewerbsrecht als Ausweg
WIIW Studie: Die Lohnentwicklung in den mittel- und osteuropäischen Mitgliedsländern der EU