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Bei gleichbleibenden Bemühungen, so hält die Kommission ernüchtert fest, müssen noch weitere 70 Jahre vergehen, bis gleichwertige Arbeit auch gleich entlohnt wird. 40 Jahre sind notwendig, bis Hausarbeit gerecht aufgeteilt wird, 30, bis etwa drei Viertel aller Frauen in der EU erwerbstätig sind, und 20, bis Frauen auf politischer Ebene gleichgestellt sind.

 

Bereits seit 1957, und damit Jahrzehnte vor dem österreichischen EU-Beitritt, zählt der Grundsatz, Frauen und Männer bei gleicher Arbeit gleich zu entlohnen, zu den Kernbestandteilen der EU-Gesetzgebung. Artikel 23 der Grundrechtecharta der EU institutionalisiert die Gleichheit von Frauen und Männern in allen Bereichen. Dennoch sind Frauen und Männer in der EU nach wie vor nicht gleichberechtigt. Geschlechterungleichheit ist dabei ein strukturelles Problem, dass sich nicht auf alle oder in allen Bereichen gleich auswirkt. Das Europäische Institut für Geschlechtergleichstellung (EIGE) hat einen multidimensionalen Index entwickelt, um diese Ungleichheiten dennoch in vergleichbarer Weise darzustellen. Dieser Index untersucht die Gleichstellung von Frauen und Männern in folgenden sechs Bereichen: Arbeit, Geld, Wissen, Zeit, Macht und Gesundheit. Es werden Punkte für die einzelnen Bereiche vergeben – bis zu 100 Punkte bei voll erreichter Gleichstellung sind möglich. Zudem sind Tendenzen zunehmender bzw. abnehmender Gleichstellung darin festgehalten. Die abgebildete Grafik stellt dabei den EU-Schnitt in den jeweiligen Bereichen dar, und zeigt, dass noch viel zu tun ist.

 

EIGE: Gender Equality Index 2015

 

Anfang März, im EU-Schnitt am 2.3. (Ö: 4.3.), findet der Equal Pay Day, und damit der Tag statt, ab dem Frauen und Männer für ihre Arbeit gleich entlohnt werden. Genau am Beispiel des Gender Pay Gaps, also der Lohnbenachteiligung von Frauen gegenüber Männern, lässt sich die Vielschichtigkeit des Problems verdeutlichen. Derzeit verdienen Frauen in Österreich rund 22 % weniger als Männer, Österreich weist damit hinter Estland, Tschechien und Deutschland den vierthöchsten Gap auf – warum? Die Erwerbsbeteiligung von Frauen in Österreich ist gestiegen und liegt mit über 70 % höher als der EU-Schnitt. Gleichzeitig aber arbeitet fast jede zweite Frau Teilzeit, was auf das unzureichende Angebot an Kinderbetreuungsplätzen und Pflegeeinrichtungen zurückzuführen ist. Dies zeigt einmal mehr deutlich, dass diese gesellschaftlich notwendige, aber unbezahlte Arbeit nach wie vor als ‚weiblich' angesehen wird. Von durchgängiger Vollzeitbeschäftigung abweichende Erwerbsbiographien führen im Alter zu einer überdimensional höheren Armutsgefährdung von Frauen, der Gender Pension Gap liegt im EU-Schnitt bei 38 %. Zudem sind Frauen überdurchschnittlich oft in schlecht entlohnten und gesellschaftlich zu wenig wertgeschätzten Bereichen, wie etwa Gesundheit, Pflege und Betreuung tätig. Die körperliche Arbeit von Bauarbeitern wird besser entlohnt als das kiloschwere Bewegen von Waren einer Supermarktkassiererin. Diese geschlechtsstereotype horizontale Arbeitsmarktsegregation wird durch eine vertikale ergänzt – Frauen sind kaum in leitenden Positionen vertreten.

 

Die Lohnschere zwischen Männern und Frauen ist damit nicht nur auf vermeintlich ‚objektiven‘ Faktoren wie das branchenspezifische Gehalt, die Ausbildung oder die Dienstzeit zurückzuführen. Um gerade diese Faktoren von anderen – rein diskriminatorischen – unterscheidbar zu machen, ist Einkommenstransparenz so wichtig. Auf europäischer Ebene werden wichtige dahingehende Schritte gesetzt, die eben diese fördern sollen. Seit 2014 sind Unternehmen in Österreich ab einer Größe von 150 Beschäftigten dazu verpflichtet, alle zwei Jahre einen nach Position und Geschlecht aufgeschlüsselten Einkommensbericht vorzulegen. Außerdem müssen Stellenausschreibungen mit Gehaltsangaben versehen werden, um so mehr Transparenz für ArbeitnehmerInnen zu schaffen.

 

Laut AK bleibt hier aber nach wie vor viel Raum für Verbesserung: Gender Pay Gaps können so zwar identifiziert werden, gleichzeitig fehlt aber nach wie vor die Verpflichtung, betriebliche Maßnahmen zur Geschlechtergleichstellung, wie etwa eine Quotenregelung für Aufsichtsräte, vorzulegen. Außerdem sorgt die Verschwiegenheitspflicht nach innen dafür, dass die Ergebnisse kaum an ArbeitnehmerInnen kommuniziert werden, nach außen macht sie Verbandsklagen unmöglich. Die Berichte sind zudem unzureichend aufgeschlüsselt, um Rückschlüsse auf Entgeltbestandteile zuzulassen. Für mehr Transparenz auf individueller Ebene kann aber bereits jetzt auf entsprechende Online Tools des AMS, des Frauenministeriums oder der AK zugegriffen werden.

 

Der aktuelle Gender Pay Day und der bevorstehende Weltfrauentag am 8. März wird auch auf Seiten der europäischen Institutionen dafür genutzt, die Wichtigkeit von Gleichberechtigung für alle zu betonen. In diesem Zusammenhang muss Einkommen aber thematisiert und enttabuisiert werden – mehr Transparenz kann hier auch zu der notwendigen Neubewertung von Arbeit fernab jeglicher Geschlechterklischees führen. Derzeit sind die von Lohndiskriminierung Betroffenen diejenigen, die ihre Schlechterstellung selbst individuell aufzeigen müssen. Bekämpfen wir den Gender Pay Gap auf betrieblicher Ebene, um nicht wirklich 70 Jahre darauf warten zu müssen, endlich fair entlohnt zu werden!

 

Weiterführende Informationen:

EU-Aktivitäten zu Lohntransparenz (Englisch)

Projekt Gender Pay Gap

Blog Arbeit-Wirtschaft: Über 82 Brücken musst du gehen

Blog Arbeit-Wirtschaft: Die ewige Einkommensschere?

Tool für KMUs um die Lohnschere im eigenen Unternehmen

AMS-Gehaltsrechner für berufsspezifisches Monats-, Jahres- und Lebenseinkommen

Gehaltsrechner des Frauenministeriums

Pensionsrechner der AK

AK Wien: Studie zu Frauenanteilen in leitenden Positionen

Studie: Vermögensunterschiede nach Geschlecht