Nachrichten

Zurück

Als Antwort auf die Wirtschafts- und Finanzkrise erlegten sich die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eine strenge Haushaltsdisziplin und einen Abbau bestehender Schulden auf. Diese Austeritätspolitik findet ihren Niederschlag im sogenannten Fiskalpakt. Über die Aufnahme dieses Vertrages in EU-Recht wurde diese Woche im Europäischen Parlament lebhaft diskutiert. Aus ArbeitnehmerInnensicht sollte jedoch eine andere Forderung im Mittelpunkt stehen: Schluss mit der neoliberalen Sparpolitik!

 

Der Fiskalpakt, als Teil des Vertrages über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion, ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen 25 Mitgliedsstaaten der EU (ohne Großbritannien, Tschechien und Kroatien), der im Jänner 2013 in Kraft getreten ist. Mit diesem Pakt wird den Mitgliedsstaaten die Verpflichtung zur strengen Haushaltsdisziplin und einem kontinuierlichen Abbau der Staatsschulden auferlegt. Konkret bedeutet dies ein maximales strukturelles Haushaltsdefizit von 0,5% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) pro Jahr, einen zügigen Abbau der Staatsschulden bis zum Referenzwert von 60% des BIP, sowie die Überwachung der Einhaltung durch den Europäischen Gerichtshof. Weiters verpflichten sich die Mitgliedsstaaten, diese Regelungen in ihren nationalen Verfassungen zu verankern. Darüber hinaus können nur jene Staaten, die den Fiskalpakt unterzeichnet haben, Finanzhilfen des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) beantragen.

 

Die geplante Integration des Fiskalpakts in EU-Recht wurde auf Antrag der EFDD-Fraktion im Plenum des EU-Parlaments diskutiert. Während der teils emotional geführten Debatte kristallisierten sich im Großen und Ganzen drei Ansichten heraus: VertreterInnen der EVP und Alde sehen im Fiskalpakt einen Schritt in die richtige Richtung. Eine stärkere Fiskaldisziplin ist ihrer Ansicht nach dringend notwendig. Die Integration des Fiskalpakts in den EU-Rechtsrahmen sehen sie als positiv an. Die SprecherInnen S&D Fraktion stehen dem Fiskalpakt kritisch gegenüber. Ihrer Argumentation folgend muss der Vertrag vor der Integration überarbeitet werden. Hierbei soll eine Abkehr von der rigorosen Sparpolitik und ein Fokus hin zur Schaffung von Arbeitsplätzen erfolgen. Dem Fiskalpakt komplett ablehnend stehen auf der linken Seite die GUE/NGL und Grünen, auf der rechten Seite die ECR, EFDD und ENF gegenüber. Während erstere massiv gegen die neoliberale Austeritätspolitik auftraten und ein soziales Europa forderten, fürchteten letztere einen weiteren Souveränitätsverlust der Nationalstaaten.

 

Neoliberale Sparpolitik

Die Kritik am Fiskalpakt reißt seit seiner Einführung 2013 nicht ab. Auf grundsätzlicher Ebene bedeutet der Vertrag eine rechtliche Verankerung der neoliberalen Doktrin in der europäischen Wirtschaftspolitik. Die rasche Proklamation der Alternativlosigkeit der Austeritätspolitik im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise ist Ausdruck dessen und gehen zulasten der ArbeitnehmerInnen. Ökonomisch gesehen schränkt die selbst auferlegte Sparpolitik das Wirtschaftswachstum ein und hält Länder wie Griechenland in einer Schuldenfalle. Durch die strenge Budgetdisziplin werden die Mitgliedsstaaten zu einer einseitigen Sparpolitik getrieben und verlieren massiv an wirtschaftspolitischem Gestaltungsspielraum. Ein weiterer Aspekt ist die demokratiepolitisch fragwürdige Konstruktion des Vertrages. Einzelne Mitgliedsstaaten können demnach den Vertrag nicht einseitig aufkündigen. Lediglich eine gemeinsame Übereinkunft aller Mitgliedsstaaten kann den Fiskalpakt auflösen.

 

Von Seiten der AK gab es seit Beginn der Verhandlungen über den Fiskalpakt Kritik. Zur Umsetzung einer wohlstandsorientierten und sozialen Europäischen Union ist eine falsch verstandene Sparpolitik kein gangbarer Weg. Die Lösung der Verteilungsfrage, weitere Regulierung der Finanzmärkte und die Schaffung von Arbeitsplätzen sollten im Fokus der Debatte stehen. Die Wichtigkeit einer Goldenen Investitionsregel ist ebenso zentral wie die Einführung einer Finanztransaktionssteuer.

 

Die Abkehr von einer einseitigen Sparpolitik ergibt nicht nur aus ökonomischer Sicht Sinn. Massive Investitionen in Sozial- und Bildungssysteme, sowie ein Ausbau der öffentlichen Infrastruktur auf europäischer Ebene kommen nicht nur allen Menschen zugute, sondern würde auch die Solidarität innerhalb der EU stärken.

 

Weiterführende Informationen:

Blog Arbeit&Wirtschaft: Austeritätspolitik in der Eurozone: Ein Schuss ins eigene Knie

AK WIEN: The Elusive Recovery. Independent Annual Growth Survey 2017

ETUC Declaration on the "Treaty on stability, coordination and governance in the economic and monetary union"