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Die anhaltende Coronakrise verlagert den Kauf von Waren und Dienstleistungen noch stärker ins Internet, große Online-Plattformen verzeichnen Rekordgewinne. Gleichzeitig wächst der Druck auf die PlattformarbeiterInnen, die bereits vor der Krise unter oftmals prekären und ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen litten.
Speziell durch die verhängten Ausgangssperren und –beschränkungen gerät das Thema Plattformarbeit aktuell wieder stärker in den öffentlichen Fokus. Auch beim Ratstreffen der MinisterInnen für Beschäftigungs- und Sozialpolitik am 3. Dezember 2020 wurde deshalb über die Herausforderungen des Phänomens und die mögliche Rolle der EU diskutiert.
Das Angebot von Online-Plattformen ist in den vergangenen Jahren wesentlich diversifizierter geworden, sodass dort mittlerweile eine breite Palette an unterschiedlichsten Produkten und Dienstleistungen erworben werden kann. Gleichzeitig verstärken die Geschäftsmodelle vieler Plattformen soziale Ungleichheit, wirtschaftliche Abhängigkeiten sowie die Chancenungleichheit zwischen Frauen und Männer. Dennoch gelang es auf EU-Ebene bisher nicht, diese Probleme zu adressieren. Ein Legislativvorschlag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten wurde zwar bereits seit Längerem in Aussicht gestellt, ist laut Arbeitsprogramm der EU-Kommission aber erst für das 4. Quartal 2021 vorgesehen.
Debatte im EU-Parlament: Flexibilität vs. Prekarität
Am 30. November 2020 fand im Beschäftigungsausschuss des EU-Parlaments ein Austausch unter dem Titel „Faire Arbeitsbedingungen, Rechte und sozialer Schutz für PlattformarbeiterInnen“ statt, an dem unter anderem auch Sozialkommissar Nicolas Schmit teilnahm. Dieser betonte, dass Plattformarbeit vielen ArbeiterInnen und Selbstständigen auch neue Möglichkeiten eröffne. Das Argument größerer Flexibilität dürfe allerdings nicht als Legitimation für Prekarität, die Missachtung von Arbeitsrechten und fehlenden sozialen Schutz missbraucht werden. Einen einheitlichen Ansatz, der sich ohne Probleme auf alle Plattformen anwenden ließe, werde es allerdings kaum geben. Zu heterogen seien Größe und Geschäftsmodelle der Plattformen, so der Kommissar.
EGB für Schutz der Recht von (atypisch) Beschäftigten
Ludovic Voet vom Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) kritisierte, dass das Geschäftsmodell der Online-Plattformen Risiko und soziale Kosten auf die Arbeitenden auslagere. Dadurch würden diese Plattformen wiederum einen Wettbewerbsvorteil genießen, der sich nachteilig auf jene Unternehmen auswirke, die sich an die geltenden Regeln halten. Außerdem seien in der Plattformwirtschaft vor allem Angehörige besonders schutzbedürftiger Gruppen – etwa MigrantInnen oder geringqualifizierte Arbeitskräfte – tätig, die ihre Arbeit unter prekären und ausbeuterischen Arbeitsbedingungen verrichten müssten. Die Einführung einer dritten Kategorie von Beschäftigten, zusätzlich zu Angestellten und Selbstständigen, lehnt der EGB hingegen ebenso ab wie Kommissar Schmit.
Auch auf Grund der Weigerung vieler Plattformen, sich als ArbeitgeberInnen zu deklarieren, werden PlattformarbeiterInnen grundlegende Arbeitsrechte nach wie vor nicht zuerkannt. In der Plattformwirtschaft kommt es deshalb zu einer systematischen Unterschreitung gesetzlicher Mindest- und Kollektivvertragslöhne. Zusätzlich gestalten sich die Arbeitsbedingungen oft menschenunwürdig und liegen fern der psychischen und physischen Belastungsgrenze der ArbeiterInnen. Bereits Ende Oktober 2020 hatte der EGB daher eine Resolution zum Schutz der Rechte von (atypisch) Beschäftigten in Plattformunternehmen verabschiedet. Gefordert werden darin beispielsweise der Zugang zu sozialem Schutz sowie transparente und vorhersagbare Arbeitsbedingungen, aber auch das Recht für PlattformarbeiterInnen, sich zu organisieren und Kollektivverhandlungen durchzuführen.
AK: Grundlegende Arbeitsrechte sind nicht verhandelbar!
Aus Sicht der AK gilt es, prekäre Beschäftigung auf digitalen Plattformen umgehend zu beenden. Der umfassende Schutz der ArbeiterInnen ist ebenso sicherzustellen wie menschenwürdige Arbeitsverhältnisse und die Anwendung von Kollektivvertragsbestimmungen oder Mindestentgeltregelungen. Im Zweifel ist außerdem festzustellen, dass ein unselbstständiges Arbeitsverhältnis mit der Plattform besteht.
Dass das Thema Plattformarbeit im für nächste Woche angekündigten Rechtsakt zu digitalen Dienstleistungen größtenteils ausgeklammert werden dürfte und die Kommission eine entsprechende Mitteilung erst für Ende nächsten Jahres angekündigt hat, ist dementsprechend zu kritisieren. Auf jeden Fall muss das weitere Vorgehen aber eng mit den Sozialpartnern abgestimmt sowie Gewerkschaften und Betriebsräte in die Ausarbeitung eines möglichen Gesetzes miteinbezogen werden.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Plattformarbeit: digital und prekär
AK EUROPA: Faire Mindestlöhne im Zeitalter der Plattformwirtschaft