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Seit den 80er Jahren bemüht sich die Europäische Kommission den europäischen Schienenverkehr zu liberalisieren und damit auch für Privatunternehmen zu öffnen. Das Angebot für Fahrgäste und im Güterverkehr sollte verbessert, die Qualität gesteigert werden. Das Fazit nach 3 Liberalisierungspaketen: Der Anteil der Schiene am Güterverkehr bleibt nach wie vor niedrig, der Anteil des Straßengüterverkehrs steigt sogar. Die Dienstleistungsqualität im Passagierverkehr hat sich nicht verbessert, stattdessen sind teilweise erhebliche Preisanstiege für Zugtickets festzustellen.
Selbst die Kommission musste eingestehen, dass ihre hinsichtlich des Schienenverkehrs gesetzten Ziele nicht erreicht wurden: Zwischen 2000 und 2007 zeigt sich ein differenziertes Bild hinsichtlich der Entwicklung des Güterschienenverkehrs – in Griechenland ist das Volumen in diesem Zeitraum um 90 Prozent gestiegen, während es in Irland um 70 Prozent gesunken ist. Insgesamt, so der Generaldirektor für Verkehr Matthias Ruete, sank der Anteil des Schienengüterverkehrs am Gesamtverkehr stetig und hat sich nun auf sehr niedrigem Niveau stabilisiert. Der Anteil an Privatunternehmen, die im Güterverkehr auf der Schiene tätig sind, sei unterschiedlich: Am höchsten sei er in Estland mit 50 %, gefolgt von Großbritannien mit 45 %, in Österreich sind es 15 %.

Mit der nun veröffentlichten Überarbeitung des ersten Eisenbahnpakets will die Kommission das Steuer herumreißen. Es gebe drei wichtige Punkte, bei denen Handlungsbedarf bestehe:

  • Der Zugang zum Schienenverkehrsmarkt sei nach wie vor relativ schwer. Es fehle in diesem Bereich nach wie vor an Transparenz. Bei den Gebühren für die Nutzung der Infrastruktur gebe es unterschiedliche Tarife: Die einen bekämen Rabatte, die anderen nicht. Zudem erhielten nicht alle MarktteilnehmerInnen gleichermaßen Zugang zu Frachtenbahnhöfen und ähnlichem, Alternativen dazu gebe es nicht. Im Personenverkehr erweise sich beispielsweise der Kauf von Tickets als schwierig.
  • Die Regulierungsbehörden hätten zu wenig Personal und zu wenig Kompetenzen, um die Infrastrukturbetreiber überwachen und Nachteile für neue MarktteilnehmerInnen verhindern zu können. In vielen Mitgliedsländern seien diese Behörden überdies den Ministerien angegliedert.
  • Ruete bezeichnete auch die Qualität der Infrastruktur als wichtig, sie gehe aber in vielen Mitgliedstaaten zurück. Gerade diese sei aber wichtig, um MarktteilnehmerInnen für Dienstleistungen im Schienenverkehr gewinnen zu können. Diese Situation sei auf mangelnde Klarheit bei den Regeln zur Finanzierung der Infrastruktur zurückzuführen. Die Gebühren für die Nutzung der Infrastruktur zwischen den Mitgliedstaaten seien höchst unterschiedlich.

Kritik übte der Kommissionsbeamte auch an der mangelnden Umsetzung der Eisenbahnpakete in den EU27. 13 Mitgliedstaaten seien wegen der mangelnden Umsetzung der Regelungen aus den 3 Eisenbahnpaketen vor den Europäischen Gerichtshof gebracht worden. Bei 9 weiteren Ländern werde das weitere Vorgehen derzeit noch geprüft.

Die Kommission wolle mit der nunmehrigen Überarbeitung des so genannten ersten Eisenbahnpakets den Zugang zum Güter- und Personenschienenverkehr verbessern. Die Liberalisierung des nationalen Passagierverkehrs auf der Schiene habe die Kommission nicht vorgesehen, weil es sich hier zum Teil auch um komplexe regionale Fragestellungen handle. Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde müsse gestärkt werden.

EU-Abgeordneter Mathieu Grosch von der Europäischen Volkspartei kritisierte, dass das Problem der Interoperabilität nach wie vor nicht gelöst sei. Bei der Infrastruktur sei die Finanzierung das A und O. Derzeit gäbe es aber Mitgliedstaaten, die mit europäischem Geld eine Infrastruktur finanzierten, die der Interoperabilität zuwider läuft. Man müsse außerdem würdigen, dass das teuerste System nicht gerade das schlechteste sei; Mitgliedsländer, die sich nicht an die Eisenbahnpakete hielten, hätten auch nicht unbedingt den ineffizientesten Schienenverkehr.

Der belgische EU-Abgeordnete Saïd El Khadraoui von den SozialdemokratInnen kritisierte, dass es bei der Infrastruktur riesige Unterschiede gäbe. Nur auf den Markt zu setzen, sei keine Lösung. Er unterstützt überdies die Kommission zuerst zu prüfen, welche Auswirkungen die Öffnung des nationalen Personenverkehrs hätte. Insbesondere die Auswirkungen auf die PassagierInnen sollen hierbei untersucht werden.

Michael Cramer, Abgeordneter bei den Grünen, will eine klare Trennung von Netz und Betrieb. Er forderte die Kommission auf, die höchst unterschiedlichen Gebühren für die Nutzung der deutschen Trassen zu untersuchen.

In Reaktion auf die Anmerkungen der Abgeordneten merkte Kommissions-Generaldirektor Ruete an, dass sich die Hersteller der Eisenbahninfrastruktur rasch auf die Erfordernisse der Interoperabilität einstellen sollten, denn es könne schon bald passieren, dass Hersteller aus Drittstaaten wie China zeitgemäßere Angebote hätten, die die Erfordernisse aus den Eisenbahnpaketen besser erfüllen würden. Regulierungsbehörden sollten ihre Zusammenarbeit verbessern. Zur Finanzierung der Infrastruktur meinte Ruete, die EU gebe aus den Mitteln für die Transeuropäischen Netze 60 % für den Schienenverkehr aus. Allerdings sei dieser Topf mit wenig Geld ausgestattet. Interessant die Anmerkung, die Ruete nebenbei machte: Von rund 80 Mrd. € für Verkehrsprojekte im Rahmen der Regionalpolitik würden nur 25 – 26 Mrd. € für den Schienenverkehr verwendet. Für Mitgliedstaaten, die die bisher verabschiedeten Eisenbahnpakete nicht respektierten, gibt es nur eine Möglichkeit, nämlich den Gang zum Europäischen Gerichtshof, meinte Matthias Ruete abschließend.

Weiterführende Informationen zur Überarbeitung des ersten Eisenbahnpakets (teilweise nur auf Englisch verfügbar)