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ZurückNach der Vorstellung der Länderberichte im Februar 2020 präsentierte die Kommission am 20. Mai 2020 die Länderspezifischen Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters. Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise stellen die Weichen hierfür völlig neu.
In Reaktion auf die Corona-Krise wurde bei den diesjährigen Länderspezifischen Empfehlungen deutlich durch die Kommission nachjustiert. Die jeweiligen Empfehlungen sollen Mitgliedstaaten bei der Bewältigung der dringendsten Herausforderungen der aktuellen Krise unterstützen und den Weg zur Erholung im Sinne eines nachhaltigen Wachstums ebnen. Eine Botschaft gilt dabei für alle Mitgliedsstaaten: Um den ökonomischen Schock der Corona-Pandemie abzufedern, sollen Staaten alle notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der sozialen und ökonomischen Folgen der Pandemie ergreifen. Laut Kommissar Nicolas Schmit sollte dem Erhalt von Arbeitsplätzen, der Bekämpfung von Ungleichheiten und dem sozialen Schutz der BürgerInnen dabei höchste Priorität eingeräumt werden. Gleichzeitig unterstreichen die Empfehlungen die Notwendigkeit zukünftiger Investitionen als Teil der wirtschaftlichen Erholung, die die Umsetzung des Green Deals und der digitalen Agenda ermöglichen soll. Die Kommission legt einen neuen Schwerpunkt auf die Sicherstellung eines leistungs- und widerständigen Gesundheitssystem, die in unterschiedlichen Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten aufgegriffen werden.
Länderspezifische Empfehlungen für Österreich
Die Kommission formuliert vier Empfehlungen für Österreich. Auch wenn die Kommission dem österreichischen Gesundheitssystem eine erfolgreiche Bewältigung der Corona-Pandemie attestiert, wird Österreich angehalten, das Gesundheitssystem widerstandsfähiger zu machen und besonders die öffentliche medizinische Grundversorgung, als auch präventive Gesundheitsleistungen besser auszugestalten. Zweitens greift die Kommission wieder das Thema Chancengleichheit auf: Österreich wird empfohlen, den gleichberechtigten Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung zu verbessern. Diese Empfehlung ist im Kontext der Corona-Krise zu sehen, da zuvor existierende ungleiche Bildungschancen durch Fernunterricht noch mehr verschärft wurden. Schließlich verfügen nicht alle SchülerInnen über die gleiche Ausstattung mit Laptops oder PCs, die für digitale Bildungsangebote unabdingbar sind. Drittens identifiziert die Kommission Handlungsbedarf bezüglich der Unterstützung und Liquiditätshilfen für KMU, die in ihrem bürokratischen Aufwand niedrigschwelliger gestaltet werden müssen. Um die großen politischen Linien wie den Green Deal und die digitale Transformation bewerkstelligen zu können, sollte Österreich private Investitionen fördern und öffentliche Investitionen passgenau und umsetzbar gestalten. Investitionen sollen vor allem in den Bereichen Innovation, nachhaltiger Verkehr sowie saubere und effiziente Energieerzeugung und –nutzung getätigt werden, was auch die AK im Hinblick auf das Klimaschutz-Investitionspaket fordert. Letztlich verweist die Kommission wie auch in vorangegangenen Jahren auf die Anpassung des Steuermix, der gemäß dem Ziel eines nachhaltigen und inklusiven Wachstums angepasst werden muss. Demnach sei der Faktor Arbeit immer noch zu hoch besteuert, während andere Einnahmequellen, wie Umweltsteuern oder Vermögenssteuern zu wenig genutzt blieben. Auch Verbrauchsteuern sollten in diesem Kontext angepasst werden.
Empfehlungen treffen den richtigen Ton
Als ad-hoc Reaktion auf die Krise wird, gemäß der ausgesetzten Fiskalregeln, von Sparkursen für sozialstaatliche Institutionen abgesehen. Erfreulich ist dabei, dass für Österreich auf die in den Vorjahren immer wieder geäußerte Kritik an der Tragfähigkeit der Langzeitpflege sowie des Gesundheits- und Pensionssystems erstmals verzichtet wird. Positiv zu bewerten ist des Weiteren die ausdrückliche Anregung einer Vermögenssteuer. Auch mit der Empfehlung des Ausbaus von Betreuungsangeboten und frühkindlicher Bildung im Zuge der wirtschaftlichen Erholung integriert die Kommission eine langjährige Forderung der AK, die überdies zu einem Abbau des geschlechtsspezifischen Lohngefälles beitragen würde. Ebenfalls zu erwähnen ist, dass die Kommission die Aufwertung von Pflegeberufen, inklusive „angemessener Vergütung“ empfiehlt.
Paradigmenwechsel oder Bumerang-Effekt?
Unklar ist, ob die diesjährige progressive Ausgestaltung der Länderspezifischen Empfehlungen ein dauerhafter Trend im Europäischen Semester-Prozess wird. Schließlich wurden die Fiskalregeln nur solange ausgesetzt, als erweiterte fiskalpolitische Handlungsspielräume zur dringenden Krisenbekämpfung und Abfederung der sozialen und ökonomischen Folgen notwendig sind. Danach soll laut der Kommission die haushaltspolitische Balance zügig wiedergefunden und die Schuldentragfähigkeit gewährleistet werden. Eine Rückkehr zur Austerität zum Zwecke der Wettbewerbsfähigkeit nach der Pandemie ist folglich nicht auszuschließen. Der Exekutive Vize-Präsident Valdis Dombrovskis vermied eine konkrete Zeitangabe zum Ende der Ausweichklausel und zur Rückkehr in die „neue Normalität“. Überdies wird jetzt schon ersichtlich, dass dem Europäischen Semester eine wichtige Rolle bei der Überwachung und Evaluierung des Wiederaufbaufonds zukommen wird, der nächste Woche vorgestellt wird. Dies wäre noch ein Grund mehr, um Reformen des Europäischen Semesters endlich auf den Weg zu bringen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Positionspapier: Länderbericht Österreich 2020
Länderspezifische Empfehlungen für Österreich - 2020