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Diese Woche tagten in Brüssel die Wirtschafts- und Finanzminister der EU27. Auf der Tagesordnung standen die Haushaltsituation in Griechenland, die für Spekulanten ein willkommener Anlass ist, griechische Staatspapiere und den Euro zu attackieren, ebenso wie eine erste Aussprache mit dem neuen Binnenmarktkommissar Michel Barnier sowie die Vorstellung eines Papiers über die Zukunft des Binnenmarkts durch Ex-Kommissar Mario Monti. Die Minister nutzten die Gelegenheit, um auch über die aufsehenerregenden Vorschläge von Barack Obama zur Finanzmarktregulierung zu sprechen.

Nachdem sich in der vergangenen Woche auf Initiative des neuen EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy die Staats- und Regierungschefs der EU zum ersten Mal in Brüssel trafen, um sich selbst zur eigentlichen Wirtschaftsregierung Europas auszurufen, wurde die dieswöchige Tagung der Wirtschafts- und Finanzminister (ECOFIN), die traditionell in der EU die Wirtschaftspolitik bestimmen, mit Spannung erwartet. 

US-Investmentbanken helfen Griechenland bei Budgetkosmetik

Neben einer nochmaligen Verschärfung der Gangart gegenüber der griechischen Regierung, der zum ersten Mal in der EU-Geschichte angedroht wurde, bei der nächsten ECOFIN-Tagung ihr Stimmrecht zu verlieren, sorgten vor allem einige Details über die Begleitumstände der „griechischen Tragödie“ für Aufsehen. So wurde bekannt, dass die griechische Regierung Ende der 1990er Jahre vor allem US-Investmentbanken engagierte, um mit Hilfe hochkomplexer und maßgeschneiderter Derivatgeschäfte das Budgetdefizit zu schönen. So sollen beispielsweise zukünftige erwartete Einnahmen aus dem Lotteriegeschäft oder aus den Landegebühren für Flugzeuge quasi verpfändet und als Einnahmen verbucht worden sein. Ein äußerst lukratives Geschäft vor allem für die Investmentbanken. Die Kommission forderte deshalb auch die griechische Regierung auf, sämtliche Hintergründe über derartige Geschäfte innerhalb der nächsten Tage aufzudecken. Der neue europäische Wirtschaftskommissar, der Finne Oli Rehn, sprach von einem „ethischen Fehlverhalten“ der Banken. Tatsache ist allerdings, dass es hier nicht um schlechtes Benehmen der Banken, sondern um mangelnde Regeln und fehlende Kontrolle geht.

Hedgefonds attackieren Griechenland und Euro: Regulierung wichtiger denn je!

Das wird umso deutlicher, wenn man sich eine weitere Ungereimtheit im Zusammenhang mit der Attacke der „Märkte“ auf Griechenland und den Euro näher ansieht. Es geht hier um die Rolle von Hedgefonds und Investmentbanken – oft die gleichen Institute, die auch beim Austüfteln der findigen Finanzkonstrukte für Griechenland und andere Länder gewinnbringend beteiligt waren – beim Angriff auf die griechischen Staatspapiere und auf den Euro. Spekuliert wird hier mithilfe von sogenannten Kreditderivaten auf staatliche Schuldverschreibungen (sovereign credit default swaps). Besonderes Kennzeichen dieses „Marktes“ ist, dass es keinerlei öffentliche Aufsicht oder Kontrolle darüber gibt, wer hier mit wem welche „Wetten“ abschließt. Die Verträge werden zwischen den einzelnen Vertragspartnern (in der Regel Hedgefonds und Banken) unter Ausschluss der Öffentlichkeit („über den Ladentisch“ oder over the counter) verhandelt. So können sich, wie bereits bei der ersten Episode der Finanzkrise deutlich wurde, ohne Kontrollmöglichkeit der Öffentlichkeit erhebliche Risiken für die Stabilität des gesamten Finanzsystems aufbauen, da gewaltige Beträge investiert werden. Die AK und die Gewerkschaften setzen sich daher schon seit Langem dafür ein, dass der Handel mit Derivaten aller Art endlich von der EU reguliert und kontrolliert wird, und warten auf einen Gesetzesvorschlag der Kommission, der noch in diesem Jahr kommen soll. Die Ereignisse rund um Griechenland zeigen auch, dass eine strikte Regulierung und Aufsicht von Hedgefonds notwendiger ist denn je.

Neuer Binnenmarktkommissar Barnier: Starke Regulierung, aber auf Europäisch

Die Minister führten auch einen ersten Informationsaustausch mit Michel Barnier, dem neuen französischen Kommissar, der in Zukunft für Binnenmarkt und Finanzdienstleistungen zuständig sein wird. Er hatte bereits während seiner Anhörung im Europäischen Parlament all jene überzeugt, die sich für eine starke und aktive Rolle Europas bei der Regulierung und Überwachung der Finanzmärkte einsetzen. Ebenfalls diskutiert wurden von den Ministern die Vorschläge des US-Präsidenten zur Finanzmarktregulierung. Bekanntlich hatte die von Obama beauftragte Volcker-Gruppe mit sehr weitgehenden Vorschlägen die Europäer in Aufruhr versetzt: Trennung von Kunden- und Investmentbanken; Verbot für Kundenbanken, in Hedgefonds zu investieren; Größenbeschränkungen für Banken, um sie nicht so groß werden zu lassen, dass der Staat sie in der Krise auffangen muss. Während einige Mitgliedstaaten wie die Niederlande und Schweden durchaus Sympathien für die US-Vorschläge bekundeten, machte Barnier doch deutlich, dass Europa eine andere Philosophie der Regulierung verfolge und forderte die USA auf, wieder nach gemeinsamen Lösungen innerhalb der internationalen Diskussionsforen (G20) zu suchen.

Monti: Binnenmarkt kann nur vertieft werden, wenn Steuerdumping beendet wird

Weitere wichtige Entwicklung war die erstmalige Befassung des ECOFIN mit den Eckpunkten eines Papiers des ehemaligen Binnenmarkt- und Wettbewerbskommissars Mario Monti, der im Auftrag von EK-Präsident Barroso neue politische Ideen für die Zukunft des Binnenmarktes sammeln soll. Diese Initiative ist deshalb von entscheidender Bedeutung, da Monti vom Standpunkt ausgeht, dass eine Weiterentwicklung des Binnenmarktes politisch nur denkbar ist, wenn gleichzeitig dem Steuerdumping ein Ende gesetzt wird. Eine Forderung, die seit langen Jahren von AK und Gewerkschaften gestellt wird, die aber bisher stets am Einstimmigkeitsprinzip bei Steuerfragen und an den nationalen Egoismen einiger Mitgliedstaaten gescheitert ist.

Weiterführende Informationen:

AK-Stellungnahme zur Mitteilung der Europäischen Kommission: Gewährleistung effizienter, sicherer und solider Derivatemärkte


AK-Stellungnahme zum RL-Vorschlag über die Verwalter alternativer Investmentfonds (Hedgefonds und Private Equity)