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ZurückWährend Kurzarbeitsmodelle in ganze Europa eine Explosion der Arbeitslosigkeit verhindern, steigt die Zahl der beschäftigungslosen Jugendlichen rasant an. Um hier entgegenzuwirken, hat die EU-Kommission am 1. Juli 2020 ein Maßnahmenpaket zur Förderung der Jugendbeschäftigung, der beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie eine überarbeitete Kompetenzagenda vorgestellt.
Im Jahr 2013, als mit der Jugendgarantie die bis dahin umfangreichste und ambitionierteste Reaktion auf das Problem der Jugendarbeitslosigkeit verankert wurde, befand sich diese in der EU bei einem Wert von durchschnittlich 23.7 %. Vor allem in Griechenland, Spanien und Italien – Länder, die anschließend an die Finanzkrise massiv unter der Austeritätspolitik der EU litten – war die Zahl der arbeits- und beschäftigungslosen Jugendlichen besorgniserregend. In manchen Ländern lag die Jugendarbeitslosenquote phasenweise jenseits der 50 %. Schon damals wurde von einer „Generation der verlorenen Chancen“ gewarnt. Während Kurzarbeitsmodelle im Rahmen der aktuellen Pandemie europaweit ein Explodieren der allgemeinen Arbeitslosigkeit verhindert haben, steigt die Jugendarbeitslosigkeit jedoch rasant weiter. Jüngere Menschen arbeiten nicht nur häufiger in Branchen, die besonders stark unter der Pandemie litten – etwa der Gastronomie oder im Handel – sondern oft auch in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Außerdem sind es vor allem jene MitarbeiterInnen, die noch nicht so lange in einem Betrieb arbeiten, die als erstes wieder gekündigt werden. Für 2020 wird im EU-Durchschnitt ein Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit auf bis zu 30.1 % prognostiziert. Bei rund der Hälfte der Betroffenen dürfte es sich gemäß dieser Prognose um sogenannte NEETs („Not in Education, Employment or Training“) handeln, also Personen, die sich weder in einem Arbeitsverhältnis befinden noch eine schulische oder berufliche Ausbildung absolvieren.
Die EU-Jugendgarantie…
Mit der Initiative „Eine Brücke ins Arbeitsleben für die nächste Generation“ will die Kommission nun die Zahl der beschäftigten Jugendlichen erhöhen, nicht zuletzt durch eine Überarbeitung und Stärkung der Jugendgarantie. Die 2013 eingeführte Jugendgarantie sieht vor, dass allen Personen unter 25 innerhalb von vier Monaten ein Ausbildungs- oder Arbeitsplatz angeboten werden soll. Nachdem die Kompetenzen der EU hinsichtlich der Sozial- und Beschäftigungspolitik allerdings begrenzt sind und es sich hierbei „nur“ um eine Empfehlung des Rates handelte, lag die Gestaltung und Umsetzung der Garantie in der Verantwortung der Mitgliedstaaten. Dementsprechend unterschiedlich fiel sie in den einzelnen Ländern aus. Auch wenn sich die Wirksamkeit der zentralen Komponenten der Jugendgarantie empirisch belegen ließ, blieb sie insgesamt jedoch hinter den Erwartungen zurück. ExpertInnen der Arbeiterkammer kritisierten etwa „die unzureichende Finanzierung, die mangelnde soziale Treffsicherheit sowie die höchst unterschiedliche Qualität der Angebote“.
…soll gestärkt werden.
Beschäftigungskommissar Nicolas Schmit verwies bei der Präsentation der Mitteilung auf die Erfahrungen aus der Wirtschafts- und Finanzkrise und warnte vor einer „Generation Lockdown“. Schmit hatte bereits Ende Mai 2020 betont, dass die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ein Schlüsselelement des Wiederaufbaus sein wird. Kritik an der Jugendgarantie ließ er nur bedingt gelten. Die Maßnahme habe Zeit gebraucht, um richtig anzulaufen und sei in den Mitgliedsstaaten auch unterschiedlich gut umgesetzt worden, prinzipiell handle es sich aber um ein erfolgreiches Modell. Dennoch nehme man die Kritik ernst und habe sie bei der Ausarbeitung der vorliegenden Mitteilung berücksichtigt.
Was soll sich ändern? Konkret soll das Höchstalter angehoben werden und die Maßnahme zukünftig alle Personen zwischen 15 und 29 Jahren miteinbeziehen. Die Inklusivität soll verbessert werden, um Diskriminierung zu vermeiden und Angehörige von besonders vulnerablen Gruppen stärker einzubeziehen. Die Maßnahme soll auf den Bedarf von Unternehmen abgestimmt werden und besonders die Anforderungen des grünen und digitalen Wandels berücksichtigen. Außerdem sollen die Betroffenen maßgeschneidert beraten und betreut werden. Die Kommission empfiehlt den Mitgliedsstaaten zu diesem Zweck Investitionen in Höhe von mindestens 22 Milliarden Euro. Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) stellt allerdings in Frage, ob es den jungen EuropäerInnen wirklich an entsprechenden Qualifikationen mangelt – oder nicht viel eher an Angeboten für hochwertige Arbeitsplätze.
„Eine Revolution im Bereich der Qualifikationen“
Handlungsbedarf sieht die Kommission allerdings nicht nur bei Jugendlichen. Im Rahmen des Mitte Juni veröffentlichten Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft 2020 zeigte sich, dass großen Teilen der EU-Bevölkerung nach wie vor ganz grundlegende Kompetenzen im digitalen Bereich fehlen. Bis 2025 soll deshalb der Anteil der Erwachsenen mit zumindest grundlegenden digitalen Kompetenzen um 25 % gesteigert werden. Das ist nur eines der Ziele, die die Kommission in ihrer überarbeiteten Europäischen Kompetenzagenda formuliert hat. Die Agenda, die gemeinsam mit dem Paket zur Stärkung der Jugendbeschäftigung am 1. Juli 2020 vorgestellt wurde, sieht zwölf Maßnahmen vor, die zu einem nachhaltigen Wettbewerb, mehr sozialer Gerechtigkeit und Resilienz beitragen sollen. Diese sollen beispielsweise Kompetenzen zur Unterstützung des grünen und digitalen Übergangs fördern und die Zahl der Hochschulabsolventen – und ganz besonders der Absolventinnen – in den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) steigern. Für das dritte Quartal hat die Kommission außerdem einen Aktionsplan für digitale Bildung angekündigt, zu dem sie noch bis 4. September eine öffentliche Konsultation durchführt.
Ebenfalls in dem Paket enthalten war ein Vorschlag der Kommission zu einer Ratsempfehlung bezüglich der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Die nationalen Systeme in diesem Bereich sollen moderner, attraktiver und flexibler gestaltet werden und sich an den Herausforderungen einer digitalen und grünen Wirtschaft orientieren. Aus Sicht der europäischen Arbeiterkammern ist die berufliche Aus- und Weiterbildung unerlässlich, um den Veränderungen in der Arbeitswelt und den damit verbundenen vielfältigen Chancen und Risiken entgegenzutreten.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Policy Brief: School Education and Vocational Education & Training in the Era of Digital Transformation
AK EUROPA: Wie und warum die Jugendgarantie in der EU bisher noch nicht ausreichend funktioniert
A&W Blog: Europa braucht eine wirksame und solidarische Jugendgarantie