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Mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages wird es wieder einmal zu Veränderungen im Rechtsetzungsprozess kommen. Bei den meisten Rechtsakten haben nun Rat und Europäisches Parlament gleichermaßen mitzureden. Dass es mitunter Jahre dauern kann, bis sich die beiden EU-Institutionen gemeinsam mit dem Autor der Gesetzesentwürfe, der Europäischen Kommission, geeinigt haben, zeigt ein Blick auf die Statistik: Bis zu 13 Jahre kann in Extremfällen die Verhandlung über einen neuen Rechtsakt dauern.

Sind sich Rat und Europäisches Parlament gleich einig, kann ein Rechtsakt in nur einer Lesung beschlossen werden. Der Geschwindigkeitsrekord bei der Verabschiedung eines neuen EU-Gesetzes liegt im übrigen bei nur 1,8 Monaten.

Geht ein Rechtsakt allerdings in die zweite oder gar dritte Lesung, dauert es wesentlich länger, bis ein Gesetz in Kraft treten kann. In der Legislaturperiode 2004 bis 2009 dauerten die Verhandlungen im Schnitt 15 Monate wenn sich die EU-Institutionen in einer Lesung einigen konnten. Waren zwei Lesungen notwendig, verdoppelte sich die Dauer des Diskussionsprozesses auf 31 Monate, bei drei Lesungen waren es gar 44 Monate.

Das wissen auch die EU-Organe und haben daher versucht die meisten Richtlinien- und Verordnungsdossiers in nur einer Lesung zu beschließen. 72 Prozent der Rechtsakte waren in den letzten fünf Jahren in der ersten Lesung ausverhandelt, verglichen mit 33 Prozent in der Periode 1999 bis 2004.

Bei einigen EU-Abgeordneten kommt es nun aber zu einem Umdenken. Werden EU-Gesetze schnell durchgepeitscht, kann die Qualität der Rechtsakte erheblich leiden, die Nachteile offenbaren sich mitunter erst nach dem Inkrafttreten der neuen EU-Regeln. Einzelne EU-Abgeordnete fordern daher, dem Druck nach einer raschen Einigung von Rat und Kommission nicht nachzugeben und es auf eine zweite beziehungsweise unter Umständen auch dritte Lesung ankommen zu lassen.

Angesichts zahnloser und/oder schwacher Kommissionsvorschläge wie zum Beispiel über Regelungen zu Hedgefonds oder einem neuen EU-Verbraucherrecht werden wohl auch längere Diskussionen notwendig sein. Denn Regelungen über Hedgefonds, die im wesentlichen nur die Registrierung der Händler und ansonsten so gut wie gar nichts vorsehen oder Verbraucherrechte, die die Situation der Konsumenten verschlechtern und darüber hinaus auch noch für Rechtsunsicherheit sorgen, können nicht im Sinne des EU-Gesetzgebers sein. Bleibt das Resumée: Eine Verhandlungsdauer von 13 Jahren sollte der Extremfall bleiben; Eine Übereinkunft der EU-Institutionen auf Biegen und Brechen innerhalb weniger Monate zu erreichen, muss allerdings auch nicht immer das Optimum darstellen.