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Nach wie vor Unzufriedenheit mit dem EU-Kaufrechtsvorschlag herrscht bei den VerbraucherInnen- und Wirtschaftsorganisationen. Bei einer Anhörung zu dieser Thematik im Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments bekam erstmals auch die Bundesarbeitskammer Österreich die Gelegenheit, zu einigen Aspekten des EU-Kaufrechts offiziell Stellung zu nehmen. Nicht nur die Arbeiterkammer, sondern auch die ebenfalls eingeladene UEAPME, der Europäische Dachverband der Klein- und Mittelbetriebe, sowie eine französische Wirtschaftsvertreterin zeigten wenig Begeisterung für den von der Kommission gewählten Ansatz, der weder für VerbraucherInnen, noch für UnternehmerInnen einen substantiellen Mehrwert bringt.
Wagner: Das EU-Kaufrecht bietet kein durchgängig hohes VerbraucherInnenschutzniveau

Die Expertin der Arbeiterkammer Wien, Alice Wagner, stellte gleich zu Beginn fest, dass der Text zum EU-Kaufrecht wie von der Kommission vorgeschlagen, von der Arbeiterkammer abgelehnt wird. Leider sei die von der Kommission im Vorfeld durchgeführte Bedarfsanalyse über weite Strecken unschlüssig und zitierte Quellen nur selektiv wiedergegeben. Als Beispiel führte Wagner die Behauptung an, dass 99 % der Unternehmer nur deswegen nicht grenzüberschreitend tätig würden, weil eine Anpassung der Geschäftsverträge für 27 verschiedene nationale Rechtsordnungen zu teuer wäre. Tatsächlich gaben in der zitierten Eurobarometer-Umfrage jedoch nur 10 % der Geschäftstreibenden die unterschiedlichen Rechtssysteme als Hindernis für grenzüberschreitende Aktivitäten an. 54 % sahen darin überhaupt kein Hindernis, so Wagner. Grundlegende Bedenken habe die Arbeiterkammer hinsichtlich des so genannten optionalen Instruments. In der Praxis werde der Unternehmer entscheiden, ob beim Vertragsabschluss mit dem Konsumenten das nationale oder das EU-Kaufrecht zur Anwendung kommt. Und die WirtschaftsvertreterInnen werden immer das Recht wählen, das ihnen gelegener kommt und nicht den VerbraucherInnen. Geeigneter wäre eine Vereinheitlichung des Zivilrechts teilweise in Form von Vollharmonisierung und teilweise in Form von Mindestrichtlinien gewesen. Im EU-Kaufrecht fehle es leider an einem durchgängig hohen Verbraucherschutzniveau, beispielsweise bei den unfairen Klauseln oder bei der Verjährung.
 
Auch bei Abhilfemaßnahmen für die VerbraucherInnen besteht Verbesserungsbedarf

Zum Leitthema der Veranstaltung, der Gewährleistung, sagte Alice Wagner, dass in diesem Punkt der Wille der Kommission zu sehen sei, den VerbraucherInnenschutz zu verbessern. Beispielsweise sei die freie Wahl der Gewährleistungsbehelfe und die Befreiung von der Mängelrügepflicht zu begrüßen. Aber auch bei der Gewährleistung gebe es Verbesserungsbedarf: So besteht beim flexiblen Fristbeginn der Gewährleistung für die VerbraucherInnen eine gewisse Rechtsunsicherheit. Da der Fristenlauf mit dem Zeitpunkt beginnt, ab dem die KonsumentInnen den Mangel hätten erkennen müssen, stellt sich die Frage, ob dies auch eine „Kontrollpflicht“ der KonsumentenInnen beinhaltet. . Bei anderen Rechtsbehelfen gebe es ebenfalls Probleme für die KonsumentenInnen. Hier sei unter anderem die Irrtumsanfechtung zu nennen. Ein Irrtum muss beim Unternehmer nachweislich angemeldet werden, in Österreich sei dies nicht notwendig, informiert AK-Expertin Wagner. Auch mit dem Zurückbehaltungsrecht gibt es in Österreich eine bessere Regelung als im EU-Kaufrecht. In Österreich können die KonsumentInnen bei einer mangelhaften Leistung das komplette Entgelt bis zur Erfüllung der Leistung zurückbehalten. Im EU-Recht gibt es dies jedoch nicht, so die AK-Expertin. Wünschenswert sei es auch eine längere Frist für die Beweislastumkehr vorzusehen.

Kritik auch von Vertreterin der Europäischen Klein- und Mittelbetriebe

Die Expertin von UEAPME, dem Europäischen Dachverband der Klein- und Mittelbetriebe, Dora Szentpaly-Kleis zeigte sich wenig begeistert von dem EU-Kaufrechtsvorschlag der Kommission. UEAPME hätte sich eine Vollharmonisierung gewünscht, die Kommission habe dann aber leider das freiwillige optionale Instrument gewählt. Im Bereich der Gewährleistung kritisierte die UEAPME-Expertin unter anderem die Möglichkeit der Vertragsbeendigung. Eine Vertragsauflösung sollte jedoch das allerletzte Mittel sein. Bei der Beendigung bei Nichterbringung der Leistung werde beispielsweise davon gesprochen, dass eine Beendigung des Vertrags möglich sei, wenn die Nichtkonformität der Leistung beträchtlich ausfalle. Es ist laut Szentpaly-Kleis jedoch überhaupt nicht definiert, was unter dem Begriff „beträchtlich“ zu verstehen sei. Für eine Vertragsbeendigung gibt es auch keine Frist für die VerbraucherInnen, sie können daher auch noch ein Jahr später den Vertrag aufkündigen, selbst wenn sie gleich zu Beginn den Mangel bemerkt haben, kritisierte die Expertin der UEAPME.

Französische Industrie fordert Rechtssicherheit und verständliche Regeln

Anne-Laure Constanza, eine französische Unternehmerin und Vertreterin für die französische Industrie nannte die Voraussetzungen, die für die Akzeptanz eines EU-Kaufrechts durch KMUs notwendig sind: Sie müssten zu einer Vereinfachung und niedrigeren Transaktionskosten führen, Rechtssicherheit sei unbedingt erforderlich. Auch müssen derartige Regeln für die Wirtschaftstreibenden verständlich sein. Ein hohes Verbraucherschutzniveau sei in Ordnung, allerdings dürfe dies zu keiner übermäßigen Belastung für die Unternehmen führen, so Anne-Laure Constanza. Leider seien die Regeln in Anhang I nicht leicht zugänglich und verständlich. Es gebe mehrere subjektive Begriffe, die je nach Kunde unterschiedlich interpretiert werden und das sei sehr gefährlich für die Unternehmen. Für Betriebe ist die freie Auswahl von Abhilfemaßnahmen eine schwere Belastung, die hohe Kosten verursachen kann, so die Expertin von UEAPME. Das Recht auf Auflösung des Vertrags ist laut EU-Kaufrecht einseitig möglich. Der Käufer könnte dies in böser Absicht tun und die Händler hätten keine Handhabe dagegen.

Kommission: In Österreich nur leichte Verschlechterungen bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Am Ende der Veranstaltung kam Dirk Staudermaier von der Europäischen Kommission zu Wort und reagierte vor allem auf die Feststellungen der AK-Expertin: Er protestierte zu Beginn gegen die Kritik, dass das EU-Kaufrecht kein durchgängig hohes Verbraucherschutzniveau biete. Die freie Auswahl bei den Gewährleistungsrechten sei für die KonsumentenInnen positiv hervorzuheben, wie auch Alice Wagner erwähnte. Das sei laut Kommission ein gewaltiger Fortschritt gegenüber österreichischem Recht. Bei den Allgemeinen Geschäftsbedingungen hätte Österreich nur leicht bessere Regelungen. Beim flexiblen Fristbeginn geht die Kommission davon aus, dass es für die KonsumentenInnen keine Kontrollpflicht gibt und kann daher die Kritik der AK-Expertin nicht verstehen. Eine längere Beweislastumkehr als 6 Monate gebe es nur in einem Mitgliedsland, daher sehe es die Kommission nicht als notwendig an sie zu verlängern. Die Kommission gebe auch nicht die Vollharmonisierung auf, sie halten weiter daran fest wo es nötig ist.

AK-Expertin: Den österreichischen KonsumentenInnen droht eine Reihe von Verschlechterungen

AK-Expertin Wagner reagierte umgehend auf die Aussagen der Kommission: Bei der flexiblen Frist wäre es besser, den genannten Vorteil, dass es keine Kontrollpflicht für die VerbraucherInnen gibt, auch schriftlich im Text festzuhalten. Außerdem helfe es den VerbraucherInnen nicht, wenn die Gewährleistung besser sei, wenn sie in einem ganz anderen Bereich Probleme haben, zum Beispiel bei Vertragsklauseln aber auch bei anderen Punkten, bei denen das österreichische Recht für die KonsumentenInnen weit besser sei als der Kaufrechtsvorschlag, so die AK-Expertin Alice Wagner abschließend.

Im Juli soll eine weitere Anhörung im Rechtsausschuss folgen. Im September wird auch der ebenfalls für dieses Dossier zuständige Binnenmarkt- und Verbraucherausschuss eine Anhörung abhalten. Mit einem Abschluss der Verhandlung im Europäischen Parlament ist laut Aussagen einiger ParlamentarierInnenerst gegen Ende der Legislaturperiode zu rechnen.