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In den letzten Jahren hat die Europäische Kommission immer wieder gezeigt, was sie von der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen wie dem öffentlichen Nahverkehr, der Wasserver- und entsorgung und anderer kommunaler Dienste hält – nämlich nichts. Sträuben sich Europäisches Parlament und Rat gegen einen Rechtsvorschlag der Kommission, ist das für sie kein Problem: Sie bringen ihre Liberalisierungsvorschläge einfach bei passender Gelegenheit wieder ein.
Bereits 2003 hat sich die Europäische Kommission den sogenannten Dienstleistungen von allgemeinem Interesse angenommen. Darunter sind Dienstleistungen zu verstehen, die oft von der Gesellschaft selbst, also von der öffentlichen Hand erbracht werden. Darunter fallen zum Beispiel Leistungen aus dem Gesundheits-, dem Bildungs- oder dem Sozialwesen. Bereiche, die auch gewinnbringend am Markt erbracht werden können, zumindest ist das die Meinung vieler WirtschaftsvertreterInnen.

Die Kommission nahm sich diesem Wunsch der Wirtschaft nur allzu gerne an und erfand in einem nächsten Schritt die sogenannten „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“. Ein Terminus mit dem sich die Kommission selbst verrät: Denn es geht ihr offensichtlich nicht um die bestmögliche Erbringung dieser öffentlicher Dienstleistungen, sondern um das wirtschaftliche Interesse mancher Unternehmen an diesen Leistungen. Für die Kommission sind diese Dienstleistungen jedenfalls problematisch, denn es handelt sich um Dienste, die in ihren Augen genauso gut von Privatunternehmen erbracht werden können, das heißt also am besten am Markt ausgeschrieben und nicht mehr von der öffentlichen Hand erbracht werden sollten. Was die Kommission geflissentlich übersieht: Das vorrangige Ziel eines Privatunternehmens ist die Erzielung eines Gewinns, die Erbringung der Dienstleistung ist dabei nur Mittel zum Zweck. Und gute Gewinne erziele ich bei Dienstleistungen – vereinfacht ausgedrückt – wenn ich bei Lohnkosten spare, bei Arbeitsbedingungen Einschnitte vornehme und die Qualität der Dienstleistung gerade so hoch halte, dass sie vom Kunden noch akzeptiert wird. Auch mit der Anpassung des Preises für die Leistung nach oben, lässt sich der Gewinn absichern. In der Regel handelt es sich bei den Liberalisierungen und Privatisierungen von Dienstleistungen aber nicht um eine Förderung des Wettbewerbs. Der Markt wird in der Regel vielmehr unter einigen wenigen Multis in Form eines Oligopols aufgeteilt, wie die Liberalisierung im Energiesektor, bei der Telekommunikation oder bei den Postdiensten zeigt.

Entsprechend ihrer Philosophie hat die Kommission in letzter Zeit mehrere Rechtsvorschläge veröffentlicht, die die Unterwerfung des Gemeinwohls durch den Markt voranbringen soll:

Ausschreibung kommunaler Dienstleistungen

Gerade erst haben sich der Rat und das Europäische Parlament über die so genannte Dienstleistungskonzessions-Richtlinie geeinigt. Es geht hier um nichts anderes als die Ausschreibung von Kommunaldienstleistungen wie die Wasserver- und entsorgung, die Müllabfuhr, Gesundheitsdienste und ähnliche Leistungen der öffentlichen Hand. Der Vorschlag sorgte vor allem in Deutschland und Österreich für große Aufregung, weil in diesen beiden Mitgliedsländern die kommunalen Dienstleistungen in der Regel sehr gut funktionieren. Insbesondere die Vergabe der Wasserver- und entsorgung an Privatunternehmen wurde hart kritisiert. Der zuständige EU-Kommissar Michel Barnier ruderte daraufhin zurück: Zwischen den drei EU-Institutionen gibt es nun die Vereinbarung den Bereich des Wassers aus der Richtlinie auszunehmen. Für die anderen kommunalen Dienstleistungen gilt diese Richtlinie jedoch in vollem Umfang.

Liberalisierung des Personenschienenverkehrs auf Kosten von Passagieren und Beschäftigten

Ob beim Thema Wasser das letzte Wort gesprochen ist, muss jedoch bezweifelt werden, wenn man sich den Fall des öffentlichen Personenschienenverkehrs ansieht: Im Jänner diesen Jahres veröffentlichte die Europäische Kommission einen Vorschlag, der die verpflichtende Ausschreibung des Personenschienenverkehrs vorsieht. Es handelt sich damit bereits um den 2. Anlauf der Kommission in dieser Sache. Sie scheiterte damals jedoch an Rat und Europäischem Parlament, die den Mitgliedstaaten Wahlfreiheit lassen wollte zwischen einer Direktvergabe (an die öffentliche Bahn) und einer Ausschreibung. Nachdem sich die Kommission damals nicht durchsetzen konnte, soll der neue Vorschlag, die aktuelle Verordnung, die erst zwei Jahre alt ist, alsbald ersetzen. Auch hier ist es offensichtlich nicht das Ziel, die bestmögliche Erbringung der Dienstleistung sicherzustellen, sondern die Möglichkeit für einige wenige Großunternehmen zu eröffnen, Rosinen zu picken – also auf den Strecken zu fahren die Gewinn abwerfen, während den öffentlichen Bahnen nur jene Strecken übrig bleiben, die Verluste bringen. Aber bei diesem Vorschlag geht es um mehr als nur um eine Gewinn- und Verlustrechnung: Denn für Passagiere könnte es mit mehreren Privatbahnen schwierig werden, in der kürzest möglichen Zeit von A nach B zu kommen, denn die Ankunfts- und Abfahrtszeiten werden diese konkurrierenden Bahnen wohl eher weniger aufeinander abstimmen. Auch der Preis ist alles andere als garantiert, wie das Musterbeispiel der Westbahn zeigt. Gerade erst wurde kurzfristig der Fahrtpreis für PendlerInnen je Strecke um 2 bis 3 € angehoben, eine erhebliche Zusatzbelastung für die PendlerInnen. Auch bei den Beschäftigten sind negative Auswirkungen zu befürchten, sollte der Kommissionsvorschlag so bleiben wie er ist: Ein Anbieter wird die Ausschreibung eher gewinnen, wer er junge und damit günstige ArbeitnehmerInnen in seiner Kostenrechnung einkalkuliert, als andere, die ältere, erfahrenere und damit aber auch teurere Beschäftigte in ihrem Betrieb haben. Wie die Verhandlungen im Rat und Europäischen Parlament ausgehen, ist noch offen. Die Erfolgswahrscheinlichkeit für die Kommission ist jedoch höher, nachdem die wirtschaftsfreundlichen politischen Kräfte seit dem ersten Verordnungsvorschlag über größere Mehrheiten verfügen.

Wie geht es beim sozialen Wohnbau weiter?


AK EUROPA berichtete bereits vor einiger Zeit, dass es in letzter Zeit auch beunruhigende Entwicklungen beim Wohnbau gibt. Die Kommission beschwichtigt zwar und sagt, die Mitgliedstaaten hätten die Freiheit, die Daseinsvorsorge und den sozialen Wohnbau selbst zu organisieren. Im Falle der Niederlande mischte die Kommission bei der Frage der Einkommensschwelle, bis zu der man in einem Gemeindebau oder einem anderem sozialen Wohnbau leben dürfe, heftig mit. Für Haushalte, die gerade über der Einkommensschwelle liegen, kann die Situation prekär werden, denn sie werden in den privaten Immobilienmarkt gedrängt, der mitunter sehr hohe Mieten vorsieht, und das bei mäßiger Qualität. Laut Aussagen der Kommission ist kein Rechtsvorschlag beim sozialen Wohnbau vorgesehen. Ob es wirklich dabei bleibt, ist nach den Erfahrungen beim Personennahverkehr oder bei der Wasserversorgung aber fraglich.