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Das Thema „Bessere Rechtsetzung“ steht im Fokus der neuen Kommission. Ziel der Initiative ist es, bürokratische Hürden und überflüssige Regulierungen abzubauen. Die Agenda betrifft fast alle Bereiche der europäischen Politik und gehört zum Aufgabenbereich des ersten Vizepräsidenten Frans Timmermans. In einer gut besuchten Diskussionsveranstaltung in Brüssel gingen AK und ÖGB der Frage nach, ob es bei dieser Initiative tatsächlich nur darum geht, überflüssige Rechtsvorschriften ausfindig zu machen, oder ob unter dem Deckmantel der Entbürokratisierung die Rechte von ArbeitnehmerInnen und VerbraucherInnen beschnitten werden.

Unausgewogene Interessenvertretung

Verstärkte Bemühungen zur Rechtsvereinfachung gibt es bereits seit 1995. Eine eigene ExpertInnengruppe dazu, die „Hochrangige Gruppe im Bereich Verwaltungslasten“ unter der Führung von Edmund Stoiber (sogenannte Stoiber-Gruppe), war zwischen 2007 und 2014 tätig. Neben ArbeitgebervertreterInnen waren auch vier Mitglieder von Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen in dieser Gruppe. Der Europäische Gewerkschaftsbund war zuletzt durch Heidi Rønne Møller, internationale Sekretärin der dänischen Angestelltengewerkschaft, vertreten. In ihrem Eingangsstatement gab sie Einblicke in die Arbeitsweise der Stoiber-Gruppe. Dort wurde die unausgewogene Besetzung der Gruppe dazu genutzt, kritische Positionen weitgehend auszublenden. Insbesondere der Vorsitzende legte seinen Schwerpunkt ganz klar auf Entlastungen für Klein- und Mittelunternehmen (KMU). Grundsätzlich konzedierte Rønne Møller, dass die Agenda „Besseren Rechtsetzung“ per se keine Gefahr für ArbeitnehmerInnen, KonsumentInnen und die Umwelt sei, sofern sie nicht ideologisch missbraucht werde.

Mehr Wachstum und Beschäftigung durch „Bessere Rechtsetzung“?

Antoine Colombani, Kabinettsmitarbeiter des ersten Vize-Präsidenten Frans Timmermans, betonte in seinem Anfangsstatement die politische Bedeutung von „Better Regulation“ für die Juncker-Kommission. Auch sei für ihn das Programm eng mit der Agenda für Wachstum und Beschäftigung verflochten. Zwar sagte Colombani, dass die Kommission nicht beabsichtige, Arbeits-, Sozial-, oder Umweltstandards zu senken. Allerdings gestand er ein, dass im Bereich der Folgenabschätzung neben rein ökonomischen Kriterien in Zukunft noch mehr auf soziale Aspekte geachtet werden müsse. Auch wolle sich die Kommission nicht der Kritik entziehen, sondern Diskussionen dazu nutzen, um mehr über die Probleme mit und Befürchtungen in Bezug auf „Better Regulation“ zu erfahren.

Die niederländische EU-Abgeordnete Agnes Jongerius (S&D) machte deutlich, dass auch innerhalb des Europäischen Parlaments „Better Regulation“ kritisch gesehen wird. Zwar sei eine bessere Rechtsetzung unbestritten wichtig, doch mahnte sie die Kommission dazu, Gesundheits- und Sicherheitsschutz nicht als bürokratische Lasten zu behandeln. Die EU sollte in diesen Bereichen weiter Standards setzen, auch strengere Bestimmungen auf mitgliedsstaatlicher Ebene müssten gleichzeitig weiterhin zulässig bleiben.

Bessere Einbindung der Sozialpartner

Erik Berggren, Experte beim europäischen Arbeitgeberverband BUSINESSEUROPE, wies in seiner Wortmeldung auf die Bedeutung einer effektiven und effizienten Verwaltung für die Wettbewerbsfähigkeit hin. Wichtig sei, darüber zu diskutieren, was wichtige und was unwichtige Gesetzgebung ist. Das System der Folgenabschätzungen der Kommission müsse überarbeitet werden, um eine objektivere Beurteilung der Folgen von europäischen Gesetzen zuzulassen. Die stärkere Einbindung der SozialpartnerInnen in den Evaluierungsprozess sei dafür eine Voraussetzung.

Keine Ausnahmen bei Gesundheits- und Sicherheitsstandards

Ursula Pachl, stellvertretende Generaldirektorin des Europäischen Verbraucherverbandes (BEUC), machte klar, dass sie einige der im Bericht der Stoiber-Gruppe vorgeschlagenen Initiativen klar ablehnt Etwa die sogenannte „One In One Out“-Regel, bei der für jedes neue Gesetz ein altes gestrichen werden soll. Sie entbehre jeglicher Logik von guter Rechtsetzung, so Pachl. Für sie sollte „Better Regulation“ in erster Linie zum Ziel haben, Standards im Gesetzgebungsprozess zu verbessern. De facto ginge es allerdings oft nur darum, Kosten für Unternehmen zu senken. Abschließend kritisierte Pachl auch die von der Stoiber-Gruppe vorgeschlagenen umfassenden Ausnahmeregelungen für kleine und mittlere Unternehmen. Gerade bei Gesundheits- und Hygienestandards dürfe es keine Sonderbehandlungen geben, egal ob der produzierende Betrieb groß oder klein sei.

Weiterführende Informationen:

Mitteilung der Kommission zu REFIT (nur Englisch)

Abschlussbericht der Stoiber-Gruppe

Abweichende Stellungnahme zum Abschlussbericht der Stoiber-Gruppe

EGB Stellungnahme zu den Vorschlägen der Stoiber-Gruppe (nur Englisch)