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In Anschluss an die Verhandlungsrunde zum „plurilateralen“ Freihandelsabkommen für Dienstleistungen (TiSA) in der vorletzten Woche in Genf, fanden diese Woche ein ExpertInnenhearing im Europäischen Parlament (EP) sowie ein Civil Society Dialogue zu TiSA statt. Während die Kommission nach wie vor davon überzeugt ist, dass wir dringend ein derartiges Abkommen brauchen, weisen ArbeitnehmerInnenvertretInnen und NGOs zum wiederholten Male auf die Gefahren der fortschreitenden Liberalisierung von Dienstleistungen hin.

Im Hearing zu TiSA, das im Handelsausschuss stattfand, betonte Viviane Reding (EVP), ehemalige EU-Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft und nun Berichterstatterin für TiSA, die Bedeutung von TiSA für die europäische Wirtschaft und trat für einen offenen und konstruktiven Dialog ein. Dieser sei wichtig, um von Anfang an klarzustellen, welche Forderungen und Pläne inakzeptabel seien.

TiSA soll es nicht wie TTIP ergehen

Insbesondere warnte Reding vor einer „TTIPisierung“ des Abkommens. In diesem Zusammenhang hob sie die Rolle des EP hervor, das eine Monitoring-Gruppe zu TiSA eingesetzt habe. Aufgrund der Unsicherheit vieler ParlamentarierInnen vereinbarte sie mit dem Ausschussvorsitzenden Bernd Lange (S&D), einen Bericht zu erarbeiten, in dem die Klarheit um das Zusammenspiel der derzeit in Verhandlung stehenden Abkommen (TiSA, TTIP, CETA, etc.) geschaffen werden sollte.

Öffentliche Dienstleistungen aus TiSA ausklammern

Einigkeit zwischen den VertreterInnen von Wissenschaft und Zivilgesellschaft bestand darin, dass öffentliche Dienstleistungen nicht Teil des Abkommens sein sollten. Pascal Kerneis vom European Services Forum (ESF) meinte auch, dass ESF kein Problem damit habe, Dienstleistungen im öffentlichen Interesse aus TiSA auszuschließen. Professor Markus Krajewski (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) fand die textliche Ausgestaltung dieses Ausschlusses akzeptabel, da er alle Arten von Dienstleistungen einschließe, die öffentliche Förderungen jeglicher Form erhielten. Penny Clarke vom Europäischen Dachverband der Gewerkschaften im öffentlichen Dienst (EPSU) warf ein, dass die Definition von öffentlichen Dienstleistungen in Richtung öffentliches Interesse ausgedehnt werden müsse. Zudem wurde eindringlich vor den Folgen der Liberalisierungen von Dienstleistungen gewarnt, als Beispiel wurde der Postsektor genannt.

Während TiSA-KritikerInnen einen Positivlistenansatz (liberalisiert wird das, was explizit genannt wird) fordern, machte die Wirtschaftsseite klar, dass sie sich einen reinen Negativlistenansatz (was nicht explizit genannt ist, ist voll liberalisiert) wünscht und auch mit einem Mischansatz nicht zufrieden ist.

Im Civil Society Dialogue betonte der Vertreter der Europäischen Kommission, Ignacio Iruarrizaga Díez, einmal mehr wie wichtig dieses Abkommen für die EU sei. Der Verhandlungsfortschritt sei leider nicht so gut, wie erhofft. Derzeit sei noch alles etwas „vernebelt“, doch die Kommission erwarte, dass sich bis zum Sommer die wesentlichen Elemente herauskristallisieren und somit 2016 mit der Aushandlung der Kompromisse begonnen werden könne. Das ursprüngliche Ziel, dass das Abkommen 2015 ausverhandelt ist, halte er für unrealistisch. Für Diskussionen sorgte u.a. die sog. Rachet Clause, die dafür sorgt, dass einmal vorgenommene Liberalisierungen irreversibel sind. Dazu meinte Iruarrizaga Díez, dass ja ohnehin die Möglichkeit bestünde, gewisse Sektoren von der Rachet Clause auszuschließen und diese somit kein Problem sei.

Aus Sicht der Arbeiterkammer ist ein grundlegender Kurswechsel der EU-Handelspolitik dringend erforderlich. Neben einer verpflichtenden Verankerung von Sozialstandards und der Sicherstellung der Einhaltung von ArbeitnehmerInnenrechten muss eine Herausnahme der öffentlichen Daseinsvorsorge aus dem Anwendungsbericht von Freihandelsabkommen außer Streit gestellt werden. Verhandlungen zu Liberalisierung von öffentlichen Dienstleistungen müssen gestoppt werden.

Weiterführende Informationen zu diesem Thema:

Veröffentlichte Texte der Europäischen Kommission zu TiSA (nur auf Englisch verfügbar)

AK EUROPA-Position zum plurilateralen Dienstleistungsabkommen (nur auf Englisch verfügbar)

Public Services International (PSI) Studie

Dokumentation des ETUC-EPSU-AK Europa-ÖGB Europabüro Seminars zu FTAs und öffentlichen Dienstleistungen

AK Infobrief „GATS reloaded“, Seite 25ff