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Neben dem geplanten Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) und mit Kanada (CETA) wird auch das geplante Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (TiSA) derzeit heftig diskutiert. Über die möglichen Auswirkungen im sozialen Dienstleistungsbereich und der Daseinsfürsorge solcher Abkommen wurde diese Woche bei einer Veranstaltung des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Brüssel gesprochen.

Die gemeinnützigen Wohlfahrtsverbände stehen den angeführten Freihandelsabkommen sehr kritisch gegenüber, da sie einen Demokratie- und Sozialabbau und die Nivellierung von Qualität und Standards gerade im Bereich der Pflege nach unten befürchten. Wenn der geschützte Bereich der Wohlfahrtspflege durch die Hintertüre gewinnorientierten Unternehmen geöffnet wird, so ist das bisherige System in großer Gefahr.

Der Vizepräsident der AWO, Thomas Beyer, wies in seiner Keynote auf die berechtigten Sorgen hin, die Wohlfahrtsverbände haben. Nicht zuletzt in Zeiten humanitärer Krisen sind gerade sie es, die gute Arbeit leisten. „TTIP darf unter keinem Fall dazu führen, dass soziale Daseinsvorsorge nicht mehr von Gemeininteressen, sondern von Kapitalinteressen bestimmt wird!“ Das würde den Sozialstaat in Deutschland massiv gefährden.

Wolfgang Stadler, Vorstandsvorsitzender der AWO, stellte in seinem Grundsatzreferat klar: „Niemand hat ein Problem damit, Handelszölle und-barrieren abzubauen. Dadurch darf es aber zu keiner sozialen, demokratiepolitischen, datenschutzrechtlichen, arbeitsschutzrechtlichen und umweltpolitischen Verschlechterung der Daseinsvorsorge kommen.“ Er befürchte, dass künftig genau diese Standards als Handelshemmnis verstanden werden. Außerdem forderte er, dass das EU-Vergaberecht weder von TTIP, noch von CETA oder anderen Abkommen angegriffen werden dürfe.

Der Staatssekretär im deutschen Wirtschaftsministerium, Matthias Machnig, versuchte diese Sorgen zu entkräften: Freihandel schaffe Arbeitsplätze, die Wirtschaft sei von diesen Abkommen abhängig. Ohne Freihandelsabkommen sei Europa im Hintertreffen gegenüber China, Japan, oder Indien. Gerade für Klein- und Mittelbetriebe gebe es oft keine Möglichkeit, ohne solche Abkommen im Ausland zu investieren. Er betonte, dass die Letztentscheidung über das Vertragswerk nach wie vor bei nationalen Parlamenten liege: „Selbst bei der umstrittenen Regulierungszusammenarbeit handelt es sich lediglich um ein technisches Gremium, das nationalen Parlamenten beratend zur Seite steht!“

Seitens des Europäischen Parlaments informierte im Rahmen der Debatte Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im Europäischen Parlament, dass bereits am 8. Juli 2015 eine Resolution beschlossen wurde, aus der hervorgeht, dass einer Liberalisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge keine Zustimmung gegeben wird und somit der Standpunkt gegenüber der Europäischen Kommission klar zum Ausdruck gebracht wurde. Er wünsche sich eine Regulierung des Welthandels, die mit TTIP gelingen könnte.

Grundsätzlich haben Ska Keller (Mitglied des Europäischen Parlaments) und Erich Fenninger (Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe Österreich) die mangelhafte Transparenz kritisiert – so etwa sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund nur ein ausgewählter Personenkreis und nur unter strengen Auflagen in extra eingerichteten Leseräumen Einblick in die Verhandlungsdokumente erhält. Die Befürchtung, dass zukünftig Gremien (die nicht demokratisch legitimiert sind) entscheiden, ob eine gesetzliche Vorgabe oder eine Regulierung als Handelshemmnis anzusehen ist wird ebenso kritisch betrachtet und abgelehnt. Ergänzend dazu wurde die unterschiedliche Definition der öffentlichen Daseinsvorsorge problematisiert. Denn so wie sie in Deutschland oder Österreich verstanden wird, ist sie sonst nirgendwo in Europa etabliert. Auch die Thematik der Negativlisten – die die Arbeiterkammer entschieden ablehnt – kam zur Sprache. Für Fenninger ist außerdem nicht nur die Zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze durch Freihandel relevant, sondern auch die Qualität derselben.

Die in der Diskussion aufgeworfenen und angesprochenen Probleme zeigen, dass die Entwicklungen im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge genau beobachtet werden müssen um zu verhindern, und es zu einer Schwächung bzw. einem Abbau dieses Pfeilers der Sozialstaatlichkeit kommt.

Weiterführende Informationen:

AWO Bundesverband

Volkshilfe Österreich