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Ein Zusammenhang zwischen Abgabenquote und Wirtschaftswachstum ist nicht feststellbar. So lautet das Ergebnis einer neuen Studie mit dem Titel „Führen höhere Abgabenquoten zu einem geringeren Wirtschaftswachstum“, die diese Woche in Brüssel von der AK Wien vorgestellt wurde. Unterstützung fanden die Ergebnisse der Untersuchung sowohl von Univ. Prof. Brigitte Unger als auch von Gerhard Huemer, Direktor von UEAPME, der Vertretung der kleinen und mittleren Unternehmen in Europa. Der Vertreter der Kommission, Jean-Pierre de Laet, würdigte die Ergebnisse der Studie ebenfalls, sieht aber – wenn auch differenziert - einen Einfluss der Steuerquote auf das Wirtschaftwachstum.
Otto Farny, Vanessa Mühlböck: Kein Zusammenhang zwischen Steuerquote und Wirtschaftswachstum feststellbar
Otto Farny der Leiter der Abteilung Steuerpolitik in der Arbeiterkammer Wien stellte zu Beginn den Beweggrund für die Erstellung der Studie dar: Mehrere RednerInnen führten bei einer Diskussion beim Forum Alpbach aus, als wäre es ein Naturgesetz, dass eine höhere Abgabenquote das Wirtschaftswachstum senken würde. Der Leviathan, der Staat, wird so als Instanz dargestellt, die das Wachstum hemmen würde (im Gegensatz zu Privatunternehmen).

Vanessa Mühlböck, Steuerexpertin in der AK-Wien, stellte die Ergebnisse der Berechnungen, bei der Daten der OECD aus den Jahren von 1970 bis 2008 analysiert wurden, vor. Auffällig war laut Mühlböck, dass die von der OECD berechneten Abgabenquoten von den bei der AK-Studie ermittelten Quoten teilweise erheblich abweichen. Der Grund liege eindeutig darin, dass die OECD Pflichtbeiträge, etwa für Pensionen, nicht berücksichtige, wenn diese privat verwaltet werden. Sobald ein Pensionssystem öffentlich organisiert sei hingegen schon. Im Falle der Schweiz liege die Abgabenquote laut OECD nur bei 29,3 Prozent, während sie tatsächlich, unter Einbeziehung der Pflichtabgaben für das Privatpensionssystem, 38,2 Prozent betrage. Um einen möglichen Zusammenhang zwischen Abgabenquote und Wirtschaftswachstum abklären zu können, haben die StudienautorInnen Regressionsanalysen durchgeführt. Die Resultate der Untersuchung seien aber insignifikant gewesen, das heißt ein negativer Einfluss der Abgabenquote auf das Wirtschaftswachstum lässt sich nicht feststellen. Eine wesentliche Schlussfolgerung der Studie sei jedoch auch, dass das Wirtschaftswachstum auch davon abhänge, wie die öffentlichen Gelder verwendet würden.

Wachstumsfreundliche Steuerreformen für Kommissionsvertreter De Laet wünschenswert
Der Vertreter der Europäischen Kommission, Jean-Pierre De Laet, merkte eingangs an, wie aktuell Fragen der Besteuerung angesichts der durch die Krise entstandenen Budgetdefizite für alle Mitgliedstaaten sind. Die Konsolidierung der Haushalte allein durch einnahmenseitige Sanierung sei unrealistisch, so De Laet.

Er streifte in seinen weiteren Ausführungen die Frage, wie sich eine Senkung oder Erhöhung der Steuerquote theoretisch und empirisch auf das Wirtschaftswachstum auswirken könnte, hielt anschließend jedoch fest, dass es weniger um Steuerquoten an sich als um die Qualität eines Gesamtsteuersystems gehe. Er zitierte ein Ranking der „besten Steuern“ für Wachstum und Beschäftigung. An erster Stelle nannte er Vermögenssteuern, gefolgt von Konsumsteuern, Einkommenssteuer und Steuern für Unternehmen.
In diesem Zusammenhang erwähnt er auch die Europa 2020-Strategie, in der die Notwendigkeit von wachstumsfreundlichen Steuersystemen hervorgehoben wird. Seiner Meinung nach könnten bei wachstumsfreundliche Steuerreformen in den Mitgliedstaaten auch Fairnessziele berücksichtig werden.

Univ. Prof. Unger: Studie zu vorsichtig - Steuerquoten könnten auch einen positiven Effekt auf die Wirtschaftsleistung haben
Die Ökonomin Brigitte Unger bezeichnete die Studie der AK Wien als vorsichtig, ja sogar defensiv. Vom zentralen Ergebnis der Studie, dass nämlich höhere Steuerquoten das Wachstum nicht gefährden, hätte man noch weiter gehen und beweisen können, dass Steuerquoten einen positiven Effekt auf die Wirtschaftsleistung haben.

Für Unger ist ein Ergebnis der Studie außerdem, dass Steuerquoten nicht allein eine technische Größe sind, sondern Auskunft über die Verteilung in einer Volkswirtschaft geben. Das Problem sei dabei, dass in verschiedenen Ländern unterschiedliche Ansichten darüber herrschen, was private und was öffentliche Güter sind bzw. sein sollen.

Außerdem kritisierte sie die BIP-Wachstumsraten als Bezugsgröße für den Einfluss von Steuerquoten. Es müsse angepasst werden, welches Wachstum gemessen wird, so Unger. Sie sprach unter anderem von Wohlfahrts- und Glückswachstum, das an die Stelle des BIP-Wachstums treten könne.

Abschließend meinte sie daran anknüpfend, dass Entscheidungen über Steuerquoten bzw. die Qualität von Steuersystemen nicht durch ökonometrische Berechnungen über den jeweiligen Einfluss auf das Wachstum getroffen werden können. Das sei eine politische Frage, in der es darum gehe, wie viel Ungleichheit wir bereit sind zu akzeptieren.

Huemer: Sinkende Steuerquoten sind in den nächsten Jahren unrealistisch
Gerhard Huemer, Direktor des Europäischen KMU- und Handwerksverbands UEAPME, sagte in seiner Wortmeldung, dass er die von der AK durchgeführte Studie begrüße. Die Studie zeige, dass nicht die Höhe der Steuerabgaben das entscheidende Kriterium sei. Aus Sicht der UEAPME sei viel wichtiger, wie die eingenommenen Steuermittel verwendet werden. Die Effizienz der öffentlichen Verwaltung und der öffentlichen Dienstleistungen sei dabei wichtig, so Huemer, der sich in diesem Zusammenhang für eine Privatisierung der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse aussprach, allerdings mit klarer staatlicher Regulierung. Generell sei festzustellen, dass Arbeit zu hoch besteuert sei. Die Herausforderung für die Zukunft sei daher die Umschichtung der Besteuerung, so beispielsweise die Energiebesteuerung. Generell sei die Erwartung sinkender Steuerraten in den nächsten Jahren unrealistisch. Aus Sicht der Klein- und Mittelbetriebe sei nicht der Steuerwettlauf das größte Problem, so Huemer, sondern die Existenz von 27 verschiedenen Steuerregimen in den Mitgliedstaaten, die den KMUs hohe Kosten verursachen. Die Einführung einer europaweit einheitlichen Steuerbemessungsgrundlage für die Unternehmensbesteuerung sei daher ein erster wichtiger Schritt.

In der anschließenden Publikumsdiskussion wurde unter anderem der herrschende Steuerwettbewerb angesprochen. Der Kommissionsvertreter De Laet informierte, dass die Kommission schädlichen Steuerwettbewerb bekämpfe. Jedoch sei bis dato kein politischer Konsens erreicht worden, den Steuerwettbewerb durch Harmonisierungen zu regelmentieren. Univ. Prof. Unger meinte zu dieser Frage, dass die Drohung der Unternehmen, den Firmensitz zu verlegen, schon ausgereicht habe, um eine Steuersenkung zu erreichen. In der Realität sei die Mobilität der Unternehmen aber begrenzt, da gut ausgebildete Arbeitskräfte auch eine gute öffentliche Infrastruktur verlangen, die in Steuerparadiesen aber nur schwer zu finden sei, so Unger abschließend.

Weiterführende Informationen:

Studie „Führen höhere Abgabenquoten zu geringerem Wirtschaftswachstum

Präsentation von Jean-Pierre De Laet, Europäische Kommission (nur in Englisch)