Nachrichten

Zurück

Die Schaffung einer EU-Arbeitsbehörde ist eine langjährige, wichtige Forderung der Arbeiterkammer und der Gewerkschaften. Mit VertreterInnen der AK Niederösterreich wurde bei einer hochrangig besetzten Podiumsdiskussion in Brüssel über die geplante Behörde debattiert und deren Relevanz für das Bekämpfen von Lohn- und Sozialdumping am Beispiel von Niederösterreich erläutert. Im Hinblick auf die kommende Ratspräsidentschaft plädierte der Vertreter der Kommission an die österreichische Bundesregierung, den Legislativvorschlag zur Arbeitsbehörde auf Ratsebene engagiert weiterzuverfolgen.

 

Die Europäische Arbeitsbehörde soll bei grenzübergreifend nur schwer sanktionierbarem Lohn- und Sozialdumping Abhilfe schaffen. Österreich als „Brückenland“ zu den neu beigetretenen mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten mit derzeit noch signifikant niedrigerem Lohnniveauist davon stark betroffen.

 

Vor diesem Hintergrund fällt das Fehlen der EU-Arbeitsbehörden im kürzlich veröffentlichen Programm für die österreichische Ratspräsidentschaft ab Juli 2018 besonders auf. Darauf verwies Markus Wieser, Präsident der AK Niederösterreich, in seiner Eröffnungsrede: Die Europäische Arbeitsbehörde findet im Präsidentschaftsprogramm mit keinem Wort Erwähnung. Nur eine transnationale Arbeitshörde mit grenzüberschreitenden Durchsetzungsrechten könne laut Wieser das sich häufende Lohn- und Sozialdumping effektiv bekämpfen, um das Prinzip von „gleichem Lohn am gleichen Ort für gleiche Arbeit“, wie es auch in der kürzlich beschlossenen Entsenderichtlinie festgehalten ist, de facto durchzusetzen. Wieser forderte daher eine Arbeitsbehörde mit „Zähnen“.

 

Im Anschluss an die Eröffnungsrede verdeutliche Christoph Kunz, Europaexperte der AK Niederösterreich, die (nieder)österreichische Situation anhand aktueller Statistiken zum Lohn- und Sozialdumping. In seinen Ausführungen wies er darauf hin, dass insbesondere die Kontroll- und Strafstatistiken eine höhere Betroffenheit von ArbeitnehmerInnen in Entsendebetrieben zeigen. Extrem sei das Auseinanderfallen bei Verdachtsfällen auf Unterentlohnung (lt. BUAK): Bei 4.181 kontrollierten Betrieben (3.365 inländische Betriebe/816 Entsendebetriebe) im 1. Halbjahr 2017 bestand bei lediglich 0,9% der ArbeitnehmerInnen der inländischen Betriebe Verdacht auf Unterentlohnung, andererseits bei 41% der ArbeitnehmerInnen von Entsendebetrieben.

 

Piet van Nuffel, Kabinettsmitarbeiter von Beschäftigungskommissarin Thyssen, wies darauf hin, dass auch grenzüberschreitende Mobilität und Entsendungen wichtige Errungenschaften der EU seien. Jedoch brauche es nun eine EU-Arbeitsbehörde, um die Mitgliedstaaten bei der Rechtsdurchsetzung zu unterstützen. Gemeinsame Inspektionen und Mediation spielen – so van Nuffel – dabei eine wesentliche Rolle. Hoffnung setzte er auch in die nationalen VerbindungsbeamtInnen, die in Zukunft im Rahmen der Arbeitsbehörde in täglicher und unmittelbarer Zusammenarbeiten stünden. Abschließend appellierte van Nuffel an die österreichische Ratspräsidentschaft, das Dossier engagiert weiterzubehandeln. Es sei das Ziel, dass die Arbeitsbehörde im Frühjahr 2019 – vor den Wahlen zum EU-Parlament – ihr Tätigkeit beginne.

 

Maxime Cerutti erachtete den Kommissionsvorschlag zur Arbeitsbehörde in seiner jetzigen Form als zu weit gefasst. Aus Sicht von BusinessEurope wäre zur Koordination und Information ein „Europäischer Help Desk“ als Ansprechstelle für Unternehmen und ArbeitnehmerInnen ausreichend. Für die Schaffung einer „europäischen Arbeitsbehörde“ sieht BusinessEurope keinen Bedarf. Den Vorschlag beschrieb Maxime Cerutti zudem als zu kostenintensiv, bürokratisch, protektionistisch und das Subsidiaritätsprinzip verletzend. Obwohl er mit den Zielen der Arbeitsbehörde grundsätzlich übereinstimme, seien diese mit anderen Mitteln zu erreichen.

 

Agnes Jongerius, niederländische Abgeordnete der S&D-Fraktion im EU-Parlament, zeigte sich glücklich darüber, dass nun seitens der Kommission ein Vorschlag für die Arbeitsbehörde vorgelegt wurde. Bei den Durchsetzungskompetenzen, welche zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ausreichend seien, wären auch schrittweise Verbesserungen denkbar. Wichtig sei es nun, dass die Institution erstmals überhaupt zustande komme. Hierfür bestehe durch das Ende der Legislaturperiode auch ein gewisser Zeitdruck. Ähnlich wie in Österreich verzeichneten auch die Niederlande eine steigende Anzahl von Verdachtsfällen im Bereich des Lohn- und Sozialdumpings durch Entsendeunternehmen. Die Rechtsdurchsetzung scheitere oftmals an der Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten.

 

Weiterführende Links

Kommissionsvorschlag zur Arbeitsbehörde

Positionspapier der Arbeiterkammer zum Kommissionsvorschlag

AK Niederösterreich: Fakten und Erfahrungen zu Entsendungen, Lohn- und Sozialdumping in Niederösterreich

AK Europa: Entsenderichtlinie - Etappenziel erreicht, jetzt braucht es die Europäische Arbeitsbehörde zur Durchsetzung

AK Europa: Europäische Arbeitsbehörde - Erste Positionierungen im EU-Parlament

AW-Blog: Europäische Arbeitsbehörde - Für Rechte der ArbeitnehmerInnen statt für Dumpingfirmen

AK: Lohndumping – Zahlen, Daten, Fakten

Fotos der Veranstaltung