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Auf europäischer Ebene wird derzeit über die Änderung der KonsumentInnenrechte bei Internet- und Telekommunikationsverträgen verhandelt. Der für VerbraucherInnenrechte zuständige Ausschuss des EU-Parlaments IMCO verabschiedete am 4. September 2017 den Bericht von Dita Charanzová (ALDE), der zwar die Rechte der europäischen VerbraucherInnen stärken will, aber dennoch das in Österreich gewährte Schutzniveau gefährdet: Statt europäischen Mindeststandards fordert der Bericht nämlich eine Vollharmonisierung für die gesamte Union, wodurch auf nationaler Ebene gewährte darüberhinausgehende Rechte hinfällig werden können.

 

Nach dem Ende von Zusatzkosten für Roaming innerhalb der EU für die meisten NutzerInnen spricht sich der IMCO-Ausschuss des EU-Parlaments im Bericht über die Änderung der Richtlinie zum europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation für die Senkung der Kosten von Auslandsgesprächen innerhalb der EU aus. Damit sollen deutlich höhere Tarife für KundInnen, die Anrufe in ein anderes EU-Land tätigen, der Vergangenheit angehören. Außerdem soll es möglich sein, ohne Zusatzkosten Handy- oder Internetverträge frühzeitig zu beenden.

 

Neben diesen positiven Vorstößen fordert der vom IMCO-Ausschuss verabschiedete Bericht aber auch eine Vollharmonisierung des VerbraucherInnenrechts und damit eine Abkehr vom bisher bewährten Prinzip der Mindestharmonisierung. Damit folgt der Ausschuss dem Vorschlag der EU-Kommission, die in ihrem Entwurf zur Richtlinie bereits die Vollharmonisierung vorsah. Das bedeutet, dass eine erhebliche Zahl an österreichischen Schutzvorschriften voraussichtlich nicht mehr beibehalten werden könnte. Aus Sicht der AK haben sich diese nationalen Regeln in Österreich aber bewährt und schützen vor betrügerischen Mehrwertdiensten, Kostenexplosionen bei Rechnungen und Intransparenz.

 

Ein Beispiel für eine nationale Regelung, die durch eine Vollharmonisierung gefährdet wird, ist die 2012 in Kraft getretene Kostenbeschränkungsverordnung des österreichischen Telekomregulators. Damit wurden Kostenexplosionen bei Handy- und Internetrechnungen ein Riegel vorgeschoben, da bei Erreichen der Kostenobergrenze von 60 Euro pro Monat die AnbieterIn den Anschluss zu sperren hat, so lange die KonsumentInnen nicht ausdrücklich mitteilen, dass sie die Telefondienstleistungen weiternutzen möchten. Vor Inkrafttreten dieser Verordnung hatten sich viele InternetnutzerInnen mit Rechnungen in Höhe von durchschnittlich 620 Euro hilfesuchend an die österreichischen Arbeiterkammern gewendet. Die Mitgliedstaaten dürften nach den Änderungswünschen des EU-Parlaments zwar zusätzliche „Informationsverpflichtungen“ zur Kostenkontrolle beibehalten bzw. einführen. Davon dürfte aber eine Sperrpflicht der BetreiberInnen bei Erreichen eines monatlichen Höchstbetrages nicht gedeckt sein.

 

Punktuell räumt der Bericht den Mitgliedsstaaten gewisse Handlungsspielräume im Rahmen der sogenannten Öffnungsklauseln ein. Diese reichen aber aus Sicht der AK nicht aus, da nicht klar ist, wieviel Spielraum sie den Mitgliedstaaten tatsächlich einräumen. Außerdem wird mit dem Ansatz der Vollharmonisierung den Mitgliedstaaten die Möglichkeit genommen, auf nationaler Ebene schnell auf neue Problemfelder zu reagieren. Gerade im Telekommunikationsbereich ergeben sich immer wieder neue Nachteile für KonsumentInnen, die vom Gesetzgeber am heutigen Tage noch nicht voraussehbar sind.

 

Nach dem IMCO-Ausschuss ist der Ausschuss für Industrie (ITRE) am Zug, der ebenfalls den Kommissionsentwurf behandelt. Anschließend wird das Plenum des EU-Parlaments seine endgültige Position beschließen. Außerdem müssen das Parlament und die Kommission eine Einigung mit dem Rat finden, damit der Vorschlag geltendes EU-Recht werden kann. Gerade von Seiten des Rates, der sich aus den RegierungsvertreterInnen der 28 Mitgliedstaaten zusammensetzt, wird der Vorschlag der Vollharmonisierung bisher kritisch gesehen. Da sich der Telekom- und Internetmarkt rasch verändert, sehen die Mitgliedstaaten weiterhin Bedarf an Flexibilität in Bezug auf neue nationale Schutzvorschriften, um möglichst rasch auf Probleme von KonsumentInnen reagieren zu können. Einige Mitgliedstaaten wollen auch ihre strengeren nationalen VerbraucherInnenvorschriften beibehalten und nicht durch eine Vollharmonisierung gefährdet sehen.

 

Weiterführende Informationen:

Richtlinie zum europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation

Bericht des Ausschusses IMCO zur Richtlinie zum europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation

AK EUROPA: Kommission will EU-VerbraucherInnenrechte für die digitale Zukunft rüsten

AK EUROPA: EU will VerbraucherInnenrechte stärken