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Vor zwei Jahren hat die Europäische Kommission 16 Initiativen im Rahmen einer Strategie für den digitalen Binnenmarkt vorgestellt. Am Mittwoch präsentierte der zuständige Kommissionsvizepräsident Andrus Ansip eine Halbzeitbewertung der Strategie.

 

Die ursprüngliche Strategie basiert auf drei Säulen, einerseits der Verbesserung des Zuganges für Unternehmen und VerbraucherInnen zu digitalen Gütern und Dienstleistungen, zweitens der Schaffung der Rahmenbedingungen und drittens der bestmöglichen Ausschöpfung des Wachstumspotenzials der digitalen Wirtschaft. Bereits bei der Präsentation der ursprünglichen Strategie wurde in der Stellungnahme der AK darauf hingewiesen, dass die angesprochenen Wachstumseffekte auf sehr angebotsseitigen Maßnahmen beruhen und dass der Qualität und Verteilung von Beschäftigung zu wenig Augenmerk geschenkt wird.

 

Kommisionsvizepräsident Ansip ging auf die Strategie ein und meinte, dass die Kommission „ihre Versprechen eingehalten“ habe – als wesentliche Erfolge verwies er auf die Abschaffung der Roaminggebühren und auf die Maßnahmen gegen Geoblocking, also zwei verbraucherseitige Maßnahmen, bei denen aber auch negative Folgen für VerbraucherInnen nicht ausgeschlossen werden können. In weiteren Fragen wie etwa im Bereich der Frequenzpolitik adressierte er die gesetzgebenden Institutionen der EU und forderte eine schnelle Behandlung der entsprechenden Kommissionsvorlagen. Es sei hoch an der Zeit, die Weichen zu legen, da jetzt der Zeitpunkt gekommen sei, an dem entschieden werde, ob der digitale Binnenmarkt Wirklichkeit werde.

 

Für die zweite Hälfte der Strategie hob er drei Schwerpunkte hervor: 1) Online-Plattformen, 2) die Entwicklung der EU-Datenwirtschaft und 3) den Ausbau der Cybersicherheit.

 

Im Bereich der Online-Plattformen kündigte die Kommission im wesentlichen unternehmensbezogene Maßnahmen an. Zwar soll – neben der Mitteilung über Online-Plattformen, die diese Woche in mehreren Ausschüssen des Europäischen Parlaments behandelt wurde – bis Ende des Jahres ein Kommissionsvorschlag gegen missbräuchliche Vertragsklauseln und unlautere Handelspraktiken (etwa der Verkauf von imitierten Waren über Online-Plattformen) vorliegen. Im Fokus steht aber eindeutig der grenzüberschreitende Zugang von Unternehmen zu Plattformen. 42% aller europäischen KMUs würden ihre Güter und Dienstleistungen bereits über Plattformen vertreiben. Diese Zahl gelte es weiter auszubauen. Außerdem sei es wichtig „gutgläubig“ handelnde Unternehmen und Plattformen zu schützen. Aspekte der Plattformarbeit/des Crowdworkings, der fairen Besteuerung von Plattformunternehmen (die etwa letzte Woche bei einer Veranstaltung von AK, ÖGB und IG-Metall diskutiert wurden) wurden bei der Pressekonferenz nicht angesprochen. Sehr wohl verortet die Kommission aber das Thema „Fake-News“ und „Hasspostings“ im Kontext der Online-Plattformen. Hier wurde angekündigt eine Europäische Lösung bei Melde- und Abhilfeverfahren anzustreben.

 

Um das Volumen der grenzüberschreitenden EU-Datenwirtschaft weiter zu erhöhen, hat die Kommission zwei Gesetzgebungsinitiativen angekündigt. Einerseits soll der Datenfluss von nicht-personenbezogenen Daten erleichtert, andererseits soll ab 2018 die Zugänglichkeit und Weiterverwendung von öffentlichen und öffentlich zugänglichen Daten geregelt werden. Hier bleibt unklar, wie durch einfachere Datenverwendung für Unternehmen (ohne begleitende nachfrageorientierte Maßnahmen) tatsächlich Wachstum und Beschäftigung generiert werden kann.

 

Abschließend wird die Europäische Kommission im Bereich der Cybersicherheit die europäische Cybersicherheitsstrategie revidieren und die Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA) mit neuen Kompetenzen ausstatten. Auch diesen Überlegungen liegt die angebotsseitige Überzeugung der Kommission zu Grunde, dass durch erhöhtes Vertrauen und erhöhte Sicherheit das Volumen der wirtschaftlichen Tätigkeit erhöht werden kann.

 

Im Wesentlichen hat die Kommission damit drei neue Initiativbereiche angekündigt und auf den Abschluss der vorliegenden Maßnahmen gedrängt. Die Gesamtstrategie hat weiterhin die Unternehmen und deren Marktzugang im Fokus. Die Tätigkeit im Bereich der Hasspostings erscheint grundsätzlich positiv und wichtig, da es hier wohl – neben den vielen nationalstaatlichen Initiativen, wie etwa in Deutschland und Österreich – aufgrund der grenzüberschreitenden Nutzung von sozialen Medien eine europäische Perspektive braucht. Die Fragen der Zukunft der Arbeit sowie der Steuergerechtigkeit – die im Rahmen des digitalen Wandels besondere Aufmerksamkeit erfahren sollten – werden von der Strategie jedoch weiterhin größtenteils ausgeklammert.

 

Weiterführende Informationen:

AK EUROPA: Positionspapier zur Digitalen Binnenmarktstrategie

AK EUROPA: Viel tut sich derzeit im digitalen Binnenmarkt

AK EUROPA: Erstmals Regeln für Roboter gefordert – Robotersteuer dennoch im Parlament gescheitert

AK Policy Paper: Crowdwork und Plattformbasierte Arbeit

Gemeinsame Erklärung internationaler Gewerkschaften zu Plattformarbeit

Buchprojekt im ÖGB-Verlag: Arbeit in der Gig-Economy

AK-Broschüre: Wie gestalten wir den digitalen Wandel gerecht?