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Globale Wertschöpfungsketten – zu denen meist auch Offshoring und Outsourcing gehören – machen mittlerweile drei Viertel des Welthandels aus. Für multinationale Konzerne eine gute Möglichkeit, sowohl Steuern als auch hohe Arbeits- und Sozialstandards zu umschiffen. Umso wichtiger sind klare Regeln, die nun in einem Bericht des Handelsausschusses im Europäischen Parlament gefordert werden.

 

Globale Wertschöpfungsketten umfassen viele unterschiedliche AkteurInnen, von multinationalen Konzernen über nationale VertragspartnerInnen bis hin zu ArbeitnehmerInnen, die häufig im informellen Sektor als SubunternehmerInnen beschäftigt werden. Vor allem international agierende Konzerne steigern durch Verlagerung von Arbeitsplätzen in Niedriglohnländer mit weniger strengen Vorschriften und durch Anwendung aggressiver Steuerplanung oder gar –umgehung ihre Gewinne. Obwohl diese Tendenzen kein neues Phänomen darstellen, werden sie doch immer bedeutender; während lediglich nur noch 25 Prozent des Welthandels auf Endprodukte entfallen, gewinnt der Handel von Rohstoffen sowie Vor- und Zwischenprodukten entlang der Wertschöpfungskette zunehmend an Bedeutung, wie Berichterstatterin Maria Arena (S&D) in der letzten Sitzung des Handelsausschusses (INTA) des Europäischen Parlaments betonte. Die Komplexität dieser Handels- und Produktionsbeziehungen ist enorm und hat Intransparenz zur Folge, die letztlich eine große Gefahr von Menschenrechtsverletzungen sowie ungeahndete Verstöße gegen Sozial- und Umweltvorschriften in sich birgt. Auch die Handelsstrategie der EU, wie sie in der Mitteilung „Handel für alle“ dargelegt wird, greift Transparenz und Werte sowie Nachhaltigkeit, Verantwortung und Menschenrechte im internationalen Handel und entlang der Wertschöpfungsketten auf.

 

Das Europäische Parlament hat sich nun in dieser Woche im Handelsausschuss konkret mit den Auswirkungen des internationalen Handels und der Handelspolitik der EU auf globale Wertschöpfungsketten beschäftigt. Der Bericht definiert drei Ebenen und ihre jeweiligen spezifischen Herausforderungen, um Handelspolitik als Instrument für nachhaltige Entwicklung und die Durchsetzung von höheren Umwelt- und Arbeitsstandards aktiv zu nutzen: 1. die Unternehmensebene, 2. die nationale Ebene, und 3. die Ebene der (Welt)Handelspolitik. Dementsprechend umfassend und weitreichend sind die Empfehlungen, die Maria Arena als Berichterstatterin dem INTA Ausschuss vorgelegt hat: An oberster Stelle steht hier die auch schon lange von der AK geforderte Aufnahme von verbindlichen und durchsetzbaren – mit Sanktionen versehenen – Kapiteln über nachhaltige Entwicklung in alle Handelsabkommen. Des Weiteren werden Stillhalteklauseln in Handelsabkommen, die für ein Mindestmaß an Sozial- und Umweltstandards sorgen sollen, sowie Mechanismen der Zusammenarbeit in der Bekämpfung illegaler Finanzströme gefordert, wie etwa der automatische Austausch von Steuerinformationen, um die Transparenz zu verbessern.

 

Als ein erster Schritt zu mehr Verantwortlichkeit im globalen Handel – auch wenn natürlich nur für einen spezifischen Bereich – kann die vergangene Woche im AK EUROPA Newsletter vorgestellte Leitinitiative für die Bekleidungsbranche gesehen werden, die diese Woche in einem Bericht des Entwicklungsausschusses verabschiedet wurde und die Kommission auffordert, verbindliche Standards für die Bekleidungsbranche im EU-Recht zu etablieren.

 

Nicht zuletzt wegen der enormen Auswirkungen ist die Art und Weise, wie der Welthandel bzw. die Handelspolitik ausgestaltet wird, von enormer Bedeutung. Der Europäischen Union kommt schon allein durch ihre wirtschaftliche Stärke dabei eine verantwortungsvolle Rolle zu, wie sich gerade am Beispiel der Türkei zeigt: Im vergangenen Dezember hat die EU-Kommission vorgeschlagen, die Zollunion mit der Türkei zu modernisieren und die bilateralen Handelsbeziehungen auszuweiten. Die EU ist der größte Exportmarkt für die Türkei (44,5%). Diese intensiven Handelsverflechtungen (vor allem entlang der Wertschöpfungskette) machen deutlich, dass die Europäische Union ihre Handelsmacht auch dahingehend nutzen sollte, um den demokratiepolitisch bedenklichen Entwicklungen in der Türkei Einhalt zu gebieten. Die AK steht den Verhandlungen mit der Türkei in ihrer Stellungnahme besonders kritisch gegenüber. Solange sich die menschenrechtliche Situation, insbesondere die Ausübung der Gewerkschaftsrechte, nicht wesentlich verbessert, würden handelspolitische Anreize falsche Signale aussenden.

 

Weiterführende Informationen:

blog.arbeit-wirtschaft: Gesamtkonzernbesteuerung: Eine Frage der Gerechtigkeit

European Union Trade Agreements and International Labour Standards

Pressemitteilung des Europäischen Parlaments zu den EU-Türkei-Beziehungen