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Besteuerung ist in der EU aktuell ein intensiv diskutiertes Thema. Die Vielseitigkeit der Debatten erstreckt sich von geschlechterdiskriminierenden Steuersystemen auf individueller Ebene bis hin zur Steuervermeidung großer Unternehmen. Insgesamt soll Besteuerung damit jedenfalls eines werden – gerechter.

 

Steuern und Abgaben sind in Wohlfahrtsstaaten eine wichtige Grundlage, um staatliche Leistungen finanzieren zu können. Gleichzeitig aber können Steuern als Umverteilungsinstrument wirken, also bestehende sozioökonomische Unterschiede durch eine gezielte progressive oder degressive Besteuerung verringern und so zu einer gerechteren Gesellschaft beitragen. Ob es aber zu diesem Umverteilungsmoment kommt, hängt maßgeblich von der konkreten Ausgestaltung der Besteuerungssysteme ab.

 

Wie folgende Grafik deutlich zeigt, macht die Besteuerung des Faktors Arbeit fast die Hälfte der staatlichen Steuereinnahmen in der EU aus. Vermögen und Besitz sind hingegen weit weniger hoch besteuert.

 

Quelle: Gunnarsson, Schratzenstaller & Spangenberg (2017): Gender equality and taxation in the European Union

 

Dieser Umstand wirkt sich deutlich auf die Gesellschaftsstrukturen aus. Am 30. Mai ist im FEMM-Ausschuss des Europäischen Parlaments eine Studie präsentiert worden (der oben abgebildete Grafik entnommen ist), die sich mit den geschlechtsspezifischen Auswirkungen von Besteuerungssystemen auseinandersetzt. Das Fazit: Wie auch viele andere politische Maßnahmen sind Steuern nicht geschlechtsneutral. Während es eigentlich keine direkt nach Geschlecht diskriminierenden Steuern gibt, wirken sich die genauen Strukturen auf Basis bestehender sozialer, kultureller, ökonomischer und ökologischer Ungleichheiten unterschiedlich auf Frauen und Männer aus. Mehr noch: Die derzeitigen Systeme führen dazu, dass sich Ungleichheiten vertiefen und damit nur eine Umverteilung von unten nach oben passiert. Die hohe Besteuerung von Arbeit im Gegensatz zur niedrigeren Besteuerung von Kapital oder Vermögen soll wachstumsförderlich wirken. De facto aber, so die Meinung der Studienautorinnen, machen sie Gesellschaften ungleicher und wirken damit Wirtschaftswachstum entgegen. Niedrige Besteuerung auf Vermögen wirkt sich positiv für jene aus, die viel Vermögen haben. In Österreich, wie auch in anderen Mitgliedsstaaten der EU, besitzen Männer mehr Vermögen als Frauen. Weibliche Singlehaushalten verfügen in Österreich über rund 40 % weniger Vermögen als männliche. Auch die abnehmende progressive Besteuerung von Einkommen wirkt sich negativ auf Frauen, nicht aber auf Männer aus, die – aufgrund des deutlichen gender pay gaps – immer noch mehr für gleiche und gleichwertige Arbeit verdienen. ZweitverdienerInnen sind zudem in manchen Mitgliedsstaaten aufgrund von Regelungen wie des Ehegattensplittings, also einer zusammengelegten Berechnungsgrundlage der Einkommensbesteuerung auf Paarebene unabhängig von Einkommensunterschieden, einer höheren Steuerlast ausgesetzt, die sich als Barriere auswirkt, um überhaupt beruflich tätig zu werden. Auch hiervon sind, auf Grund ungleicher Arbeitsverteilung im Bereich Pflege, Hausarbeit und Kinderbetreuung, Frauen überproportional betroffen. Niedrige Steuersätze auf Kapital und Einnahmen aus Kapitaltransaktionen kommen wiederum vor allem Männern zu Gute. Hier braucht es also, so die Studienautorinnen, mehr Transparenz, mehr Daten und auch mehr Aufmerksamkeit für bestehende Ungleichheiten, damit die Umverteilung von unten nach oben auch zu einer von oben nach unten werden kann.

 

Ein wesentlicher Punkt, der Steuern als Umverteilungsmechanismus ebenfalls entgegensteht, ist Steuervermeidung großer Unternehmen, die damit die Steuereinnahmen der Staaten maßgeblich verkürzen. Die Europäische Kommission hat unter der Leitung von Jean-Claude Juncker insgesamt 12 Entwürfe zur Steuervermeidungsbekämpfung vorgelegt, so viele, wie keine Kommission zuvor. Gleichzeitig wird Juncker aber als ehemaliger Finanzminister und späterer Premierminister von Luxemburg Anfang der 2000er Jahre vorgeworfen, durch seine dortige Tätigkeit dazu beigetragen zu haben, Luxemburg auf Basis von Steuerwettbewerb maßgeblich zu bereichern und gleichzeitig den innereuropäischen Kampf gegen Steuervermeidung zu schwächen. Seine jetzige Rolle als Kommissionspräsident und der aktive Kampf gegen Steuervermeidung auf Seiten der Kommission schützten ihn nicht davor, sich am 30. Mai im PANA-Untersuchungsausschusses des Europäischen Parlaments für seine früheren Tätigkeiten zu verantworten. Trotz kritischer Fragen der Parlamentsabgeordneten sieht sich Juncker politisch nicht für die vergangenen luxemburgische Geschäfte verantwortlich und wünschte, nach seinen jetzigen Tätigkeiten in der Kommission beurteilt zu werden. Er sei für Steuerwettbewerb, aber für fairen Steuerwettbewerb, und das versuche die Kommission jetzt umzusetzen. Dabei stellte Juncker auch in Aussicht, dass das derzeit bestehende Einstimmigkeitsprinzip im Rat der EU und damit unter den Mitgliedsstaaten in Steuerfragen zukünftig abgeändert werden könnte, um auf EU-Ebene leichter gesamteuropäische Steuerregelungen zu gestalten, um beispielsweise die luxemburgischen, belgischen und österreichischen Sonderregelungen 2003 in der Zinsrichtlinie von vornherein verunmöglichen.

 

Der Weg zu fairer Besteuerung auf EU-Ebene bleibt weiterhin ein langer, aber immerhin einer, auf dem aktuell viele verschiedene Schritte gegangen werden. Beispielsweise wird demnächst in der Parlamentsplenarwoche in Straßburg über die länderspezifische Berichterstattung abgestimmt, und auch die gemeinsame konsolidierte Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage wird heftig debattiert. Die Diskussionen sind noch nicht zu Ende, und noch werden sie nur vereinzelt zusammen gedacht. Ein für alle fair ausgestaltetes Besteuerungssystem, das als Umverteilungsmechanismus von oben nach unten funktionieren kann, muss aber beides berücksichtigen – sozioökonomische Unterschiede in Gesellschaften, aber auch, dass tatsächlich alle dort ihre Steuern bezahlen, wo sie Gewinne erwirtschaften.

 

 

Weiterführende Informationen:

 

FEMM-Committee/Gunnarson, Schratzenstaller & Spangenberg: Gender Equality and Taxation in the European Union (Englisch)

FEMM-Committee: Gender Gap in Pensions: Looking ahead (Englisch)

AK EUROPA: Warum Handelsabkommen zukünftig die Geschlechterdimension mitberücksichtigen sollen

AK EUROPA: Der PANA-Untersuchungsausschuss: Der Kampf gegen Steuertricks gewinnt an Fahrt

AK EUROPA: Gender Pension Gap - ungleiche Entlohnung macht auch vor Pensionen nicht Halt

AK EUROPA: EU-Richtlinien gegen Steuervermeidung haben Nachbesserungsbedarf

Die Grünen/EFA, Giegold: PANA hearing of Jean-Claude Juncker (30 May 2017) How Luxembourg resisted European tax cooperation and made money with its circumvention (Englisch)

AK Wien: Vermögensunterschiede nach Geschlecht